Auch das Ein-Vertragsmodell ist Unbundling-konform
Geringerer Aufwand gerade für kleinere und mittlere Stadtwerke
Ein-Vertragsmodell versus Zwei-Vertragsmodell, diese Diskussion wird derzeit heftig geführt, wenn es um die Frage der richtigen IT-Organisation für das Unbundling geht. "Eine Diskussion, die nicht immer praxisgerecht ist", so Manfred Diebitz, Direktor Marketing & Vertrieb der Schleupen AG. Denn wie so oft gibt es kein "entweder, oder". Es kommt auf die individuellen Anforderungen eines jeden Energieversorgers an, um entscheiden zu können, welches Modell das jeweils bessere ist. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen bietet sich in jedem Fall auch das Ein-Vertragsmodell an, da der Aufwand für dessen Umsetzung deutlich geringer ist. Voraussetzung: die eingesetzte Software muss dieses Modell abbilden können.
Größter Vorteil des Ein-Vertragsmodells: Es setzt auf den heute bereits üblichen Vertragsstrukturen auf und bildet damit auch die heute üblichen juristischen Beziehungen ab. Für die Vertragsbeziehung vom Endkunden zum Energielieferanten wird im Abrechnungssystem nur ein Vertrag mit einem Tarif abgebildet. Mit der Umsetzung des Unbundling zerfällt dieser Vertrag und der dazugehörige Tarif intern in mehrere Preisbestandteile, je nachdem ob sie sich auf den Netzbetrieb oder den Energievertrieb beziehen. Eine weitere Aufgliederung der Preise wird durch die Nachweis- und Berichtspflichten nötig, wie sie etwa durch EEG- und KWKG-Zuschläge entstehen. Damit beim Ein-Vertragsmodell die korrekte Verbuchung der Erlöse und Forderungen sichergestellt werden kann, müssen entsprechende Kontierungsvorgaben bis auf die Ebene der Preisbestandteile vorgenommen werden. Bei Bedarf können die Konten sich auch in unterschiedlichen Mandanten der angeschlossenen Finanzbuchhaltung befinden. Dazu muss das Abrechnungssystem allerdings eine mandantenübergreifende Verbuchung unterstützen.
"In Sachen buchhalterisches Unbundling ist das Ein-Vertragsmodell also völlig unkritisch", betont Manfred Diebitz. Für ihn hat dieses Modell aber noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: "Sowohl die EU-Binnenmarktrichtlinie als auch das Energiewirtschaftsgesetz sagen aus, dass das Unbundling möglichst effizient und kostengünstig umgesetzt werden muss. Das gilt damit auch für die IT-Organisation. Auch deswegen bietet sich das Ein-Vertragsmodell gerade für kleine und mittlere Werke als Alternative an."
Vergleicht man die unterschiedlichen Modelle hinsichtlich "Aufwand" und "Erfüllungsgrad des Unbundling", so wird deutlich, dass die Unterschiede zwischen Ein- und Zwei-Vertragsmodell hinsichtlich des Erfüllungsgrads wesentlich geringer ausfallen als beim Aufwand für die Umsetzung (siehe Abb. 1).
"Es gibt sicherlich auch Gründe, die für die Einführung eines Zwei-Vertrags- oder gar eines Zwei-Mandanten-Modells sprechen. Beispielsweise wird man an Letzterem beim Legal Unbundling nicht vorbeikommen. Aber die Vielzahl der Versorgungsunternehmen, die lediglich organisatorisch unbundeln, können ihre wichtigen Kernprozesse auch mit dem Ein-Vertragsmodell Unbundling-konform abbilden", fasst Manfred Diebitz zusammen. Ob Rechnungslegung, Forderungsmanagement oder Weitergabe von Ablesungswerten, all diese Prozesse lassen sich aus Sicht des Netzbetreibers für den eigenen wie für den fremden Energievertrieb diskriminierungsfrei umsetzen. Selbst Fälle, wie die von Neukunden in einem Verteilnetz, die sofort von einem externen Vertrieb beliefert werden - also nie Kunden des eigenen Vertriebs waren - lassen sich mit Hilfe des Ein-Vertragsmodells abbilden. Denn die entsprechenden Vertragsdaten können durch ein Sichtenkonzept vor dem Zugriff des eigenen Vertriebs geschützt werden. Da die weiteren Personen- und Lieferantendaten allgemein zugängliche Daten sind, ist darüber hinaus kein weitergehender Zugriffsschutz notwendig.
"Aus unserer Sicht ist die derzeitige Diskussion um das Ein- oder Zwei-Vertragsmodell eigentlich überflüssig und eher darin begründet, dass manche Softwaresysteme nur das Zwei-Vertragsmodell unterstützen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit sich ein Unternehmen an eine Softwarelösung anpassen muss, oder ob sich nicht besser die Software nach den Anforderungen des Unternehmens richten sollte", so Manfred Diebitz. Er geht davon aus, dass es künftig sogar Unternehmen geben wird, die beide Modelle parallel einsetzen. Während es beispielsweise im Tarifkundenbereich vielerorts kaum Sinn macht, das Zwei-Vertragsmodell flächendeckend einzuführen, kann es sich durchaus für den Sonderkundenbereich anbieten. Hier sind in der Regel wesentlich komplexere Vertragsstrukturen an der Tagesordnung, die mit einem Zwei-Vertragsmodell deutlich transparenter abgebildet werden können. "Wir haben unsere Lösung Schleupen.CS deswegen so ausgelegt, dass auch ein solcher gemischter Betrieb unterstützt wird. Letztlich sollte aber der Anwender entscheiden, welches Modell seine Anforderungen am besten abdeckt", so das Fazit von Manfred Diebitz.
Autor: Uwe Pagel , exklusiv für BWK 03/04