Big Bang: Stadtwerke Neuwied organisieren sich komplett neu
Schleupen.CS als Grundlage für Neuausrichtung des Unternehmens
Mehr als 1000 individuell gestrickte Cobol-Programme bildeten bis vor kurzem noch das IT-Fundament für alle wichtigen Kernprozesse bei den Stadtwerken Neuwied. Die Folge: es wurde zunehmend schwierig, schnell und flexibel auf die sich wandelnden Anforderungen des liberalisierten Marktes zu reagieren. Eine der ersten Entscheidungen der neuen Geschäftsführung, die ihr Amt im Jahr 2001 antrat, war es deswegen, die Vielfalt die individuellen Lösungen durch eine Standardsoftware abzulösen. Und nicht nur das: parallel sollte auch das gesamte Unternehmen neu organisiert werden, denn auch die bestehenden Strukturen waren wenig geeignet, den neuen Herausforderungen des Marktes zu begegnen. Ein Mammutprojekt, das jedoch erfolgreich umgesetzt werden konnte und derzeit weiter vorangetrieben wird.
Es hat uns schon einige schlaflose Nächte bereitet, kurz nach der Übernahme der Geschäftsführung ein Projekt aufzusetzen, das mit einem Gesamtbudget von rund 1,5 Millionen Euro nichts anderes vorhat, als das Unternehmen von Grund auf neu zu gestalten, so Dirk Hillesheim, der kaufmännische Geschäftsführer der Stadtwerke Neuwied im Rückblick. Entsprechend gründlich bereitete er sich gemeinsam mit Gerhard Krose, der gleichzeitig sein Amt als technischer Geschäftsführer angetreten hatte, auf die Umstellung vor. Das begann schon bei der Software-Auswahl. 10 Anbieter entsprechender Branchenlösungen hatte man auf dem Markt identifiziert, eine Auswahl, die sich sehr schnell eingrenzen ließ. Denn die Anforderungen waren breit gefächert. Neben den klassischen Aufgaben wie die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser oder dem Nahverkehr kümmern sich die Stadtwerke Neuwied auch um die Bäder, um die Friedhofsverwaltung und um den Bau und die Instandhaltung der Straßen. Dazu kommt der Betrieb des Hafens, der Parkhäuser und die Pflege des Deichs, der Grünanlagen sowie der Spiel- und Sportplätze. Ein derartiges Aufgabenspektrum, das bei deutschen Stadtwerken seinesgleichen sucht, können Sie nur mit wenigen Lösungen abbilden. Wir haben uns deswegen letztlich auf drei beschränkt, die wir auf Herz und Nieren getestet haben, so Gerhard Krose. Alle drei Systeme mussten ein ausführliches Bewertungsverfahren durchlaufen, bei dem am Ende Schleupen.CS die Nase vorn hatte. Die Entscheidung fiel nicht zuletzt deswegen, weil wir einen Partner gesucht haben, der uns nicht nur eine Lösung liefert, sondern uns bei der Umsetzung dieses anspruchsvollen Projekts aktiv unterstützt. Und der sich mit den Bedürfnissen eines mittelständischen Unternehmens wie den Stadtwerken Neuwied mit seinen rund 470 Mitarbeitern und ca. 76.000 abzurechnenden Verträgen auskennt, ergänzt Dirk Hillesheim.
Nachdem man schon in der Vorbereitungs- und Auswahlphase erfolgreich mit Partnern wie Accenture und Mummert Consult zusammengearbeitet hatte, übertrug man dieses Vorgehen nun auch auf den Umstellungsprozess selbst. Denn mit dem Big Bang-Ansatz betrat man in Neuwied organisatorisch wie softwaretechnisch völliges Neuland. Und deswegen musste sichergestellt werden, dass man nach dem Big Bang arbeitsfähig blieb. Wir verfolgten das Konzept des ´lernenden Unternehmens´. Was dabei oft vergessen wird, ist, dass man auch als Unternehmen in der Regel einen guten Lehrer braucht - vor allem, wenn man sehr schnell lernen muss, beschreibt Gerhard Krose das Vorgehen. Neben einer internen Projektleitung, die sowohl aus dem kaufmännischen wie aus dem IT-Bereich besetzt und direkt bei der Geschäftsführung aufgehängt wurde, sowie der aktiven Einbindung des Schleupen-Teams setzte man bei der Einführung deswegen auf die Unterstützung von Price Waterhouse Coopers. Die Aufgabe: die externen Berater sollen sowohl die internen Mitarbeiter wie auch die Dienstleister von Schleupen unterstützen, sich aber auch selbst in den Reorganisationsprozess einbringen. Schließlich wollte man die komplette Umstellung in nur einem Jahr vollziehen, um die Prozesse dann im zweiten Jahr weiter optimieren zu können.
Was dann folgte, war für viele Mitarbeiter tatsächlich eine Revolution, die mit allem brach, was sie bisher gewohnt waren. Ein besonders plastisches Beispiel ist hier die Buchhaltung. Unsere Mitarbeiter waren es gewohnt, mit ihrem Programm ganz bestimmte Arbeitsschritte abzuarbeiten. Sobald etwas darüber hinaus ging oder etwa eine Auswertung benötigt wurde, war es normal, dass man Unterstützung brauchte, beispielsweise aus der IT. Nun aber stand plötzlich eine integrierte Lösung zur Verfügung, mit der die Buchhalter nicht nur ganze Abläufe bearbeiten sondern auch eigene Auswertungen erstellen konnten. Kurzum: sie waren nicht nur plötzlich selbstständig, sie erhielten auch auf einmal die modernste technische Untertützung für die ganze Komplexität des Buchhaltungsjobs, den sie vorher ja immer nur in Teilausschnitten wahrgenommen hatten, beschreibt Dirk Hillesheim die ersten Erlebnisse. Wir haben sehr schnell erkannt, dass man die Leute da nicht ins kalte Wasser schmeißen darf. Deswegen sind wir bewusst schrittweise vorgegangen, haben erst geschult, dann probieren lassen und sind erst danach in den Echtbetrieb gegangen. Die Folge war, dass wir bei den Mitarbeitern ein Feuer entfachen konnten, so dass sie den Umstellungsprozess hochmotiviert und aktiv mitbegleiteten und weiter vorantreiben, so Dirk Hillesheim weiter. Aber auch andere Bereiche im Unternehmen änderten sich radikal. Beispiel Hausanschluss: Hier musste der Bauherr früher vor allem eins mitbringen: Geduld. Denn mit dem Antrag waren sieben bis 15 Instanzen im Hause beschäftigt. Der Antrag geisterte in der Regel lange durchs Haus, niemand wusste genau, wo er gerade war, der Antrag steuerte sich quasi selbst, so Gerhard Krose. Heute steuert ein Mitarbeiter den gesamten Vorgang von Anfang bis Ende. Er weiß jederzeit, welchen Status der Antrag hat, wann der Elektriker vor Ort ist und wann der Hausanschlag gelegt wurde. Der Prozess wird so nicht nur wesentlich beschleunigt, er ist nun vor allem auch vollkommen transparent, für den Kunden wie für den Mitarbeiter. Und: die alte Trennung zwischen technischem und kaufmännischen Bereich wurde fast vollständig aufgehoben. Durch die Integration der betriebswirtschaftlichen Anwendungen mit denen der Materialwirtschaft hat ein Umdenken eingesetzt. Die Mitarbeiter im Rechnungswesen zeigen plötzlich Verständnis für die technischen Anforderungen und die Techniker denken auf einmal auch betriebswirtschaftlich, beschreiben Guido Remy, als Bereichsleiter Controlling für die kaufmännische Projektleitung und Thorsten Wittich, als Teamleiter IT für die technische Projektleitung verantwortlich, ihre Erfahrungen.
Nach dem Start des Projektes im August 2003 konnte die erste Phase mit Inbetriebnahme des Rechnungswesens und der Materialwirtschaft pünktlich zu Beginn des Jahres 2004 abgeschlossen werden. Nach der Jahresverbrauchsabrechnung folgen jetzt die Vertragsabrechnung, die Energielogistik CRM und das Geo-Informationssystem. Wir sind dabei bis jetzt exakt im geplanten Rahmen geblieben, sogar was die Einhaltung von einzelnen Meilensteinen angeht. So etwas habe ich bislang in dieser Form nicht erlebt, und ich mache solche Projekte schon seit den 80er-Jahren, so das Fazit von Gerhard Krose. Und Dirk Hillesheim ergänzt: Schleupen.CS ist für uns in den letzten Monaten zu einem Treibmittel für die Unternehmensentwicklung geworden, ein Prozess, der uns in den kommenden Wochen und Monaten weiter beschäftigen wird. Für ihn steht dabei außer Frage, dass die Stadtwerke Neuwied hier die richtige Entscheidung getroffen haben. Nicht nur aus funktionaler Sicht. Es ist entscheidend, dass Softwarelösungen wie Schleupen.CS zum Unternehmen passen und so zu einem Werkzeug werden, mit dem auch strategische Ziele angegangen werden können. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der Aufsichtsrat der Stadtwerke Neuwied GmbH voll und ganz mit der Entscheidung der Geschäftsleitung identifiziert und diese konstruktiv mit getragen. Für ein mittelständisches Unternehmen wie das unsere heißt das: eine konsequent regionale Ausrichtung und Konzentration auf das direkte Umfeld. Auf diesem Weg tragen wir wie auch andere Stadtwerke unseren Teil zur Identitätsstiftung bei den Menschen vor Ort bei. Und das ist auch der Grund, warum Stadtwerke entgegen aller anders lautenden Erwartungen auch dauerhaft überleben werden.
Autor: Uwe Pagel / exklusiv für ZfK 06/04