Co-Sourcing im gemeinsamen Kompetenz-Center
Neue IT-Strategien für Stadtwerke
Seit dem Start der Liberalisierung haben nicht nur die Anforderungen an die Informationstechnologie in der Energiewirtschaft drastisch zugenommen. In der Folge sind auch die Kosten für Anschaffung und den Betrieb der Lösungen deutlich gestiegen. IT-Prozesskosten in Höhe von 10 Prozent des Gesamtumsatzes sind in vielen Unternehmen die Regel. Und die Komplexität der Systeme nimmt weiter zu, weil die Anforderungen weiter steigen. So ist die Informationstechnologie heute auf der einen Seite ein unverzichtbares Werkzeug, wenn es darum geht, die Wettbewerbsvorteile eines Stadtwerkes zu sichern. Auf der anderen Seite ist IT zunehmend ein Kostentreiber, den es gilt, in den Griff zu bekommen.
Die Gründe für die Zunahme der Komplexität im IT-Bereich sind vielfältig. Wurden in der Vergangenheit noch zahlreiche Insellösungen betrieben und oftmals der kaufmännische Bereich vom technischen völlig getrennt gesehen, so ist das heutzutage schon aus wirtschaftlichen Gründen kaum noch hinnehmbar. Die unterschiedlichen Softwaresysteme wachsen mehr und mehr zusammen, die Anforderungen an die Integration der Systeme steigen entsprechend. Gleichzeitig sind auch die Geschäftsprozesse komplexer geworden, nicht nur die internen im eigenen Unternehmen, sondern vor allem auch bei der Kommunikation mit den Marktpartnern. Wenn man bedenkt, welche Informationen allein beim Kundenwechsel zwischen Lieferant, VNB, ÜNB und Bilanzkreisverantwortlichen ausgetauscht müssen, wird deutlich, dass dies ohne eine automatisierte Abwicklung kaum noch wirtschaftlich ist. Auch in der Kundenbeziehung spielt Software heute eine zentrale und unverzichtbare Rolle, sei es in der Abrechnung, wo heute eine Vielzahl von Vertragsvarianten abgebildet werden muss, sei es im täglichen Dialog mit dem Kunden. Gerade hier sind die Stadtwerke heute ganz besonders gefordert. Denn die steigenden Energiepreise werden die Wechselbereitschaft der Kunden deutlich erhöhen, Maßnahmen zur Kundenbindung rücken deswegen zunehmend in den Fokus der Vertriebsaktivitäten.
Ohne Informationstechnologie geht also nichts, mit Informationstechnologie steigen aber die Kosten. Ein Dilemma, in dem sich gerade kleine und mittlere Stadtwerke befinden. Als Lösung für dieses Dilemma wurde bislang meist der Weg des Outsourcing propagiert, also der Betrieb der IT-Lösungen in einem externen Rechenzentrum. Die Vorteile sind eindeutig: ein externer Dienstleister kann seine Leistungen deutlich günstiger anbieten, da er seine Ressourcen für mehrere Kunden bündelt, die IT-Landschaft kann durch standardisierte Lösungen besser vereinheitlicht werden und dadurch reduziert sich insgesamt auch wieder die Komplexität. Trotz dieser Vorteile hat sich das Outsourcing, anders als in vielen anderen Branchen, speziell im Stadtwerke-Umfeld bislang nicht durchgesetzt. Dafür gibt es sicherlich verschiedene Gründe. Vielfach haben Stadtwerke jedoch einem externen Rechenzentrumsdienstleister schlichtweg nicht zugetraut, über das nötige Branchen-Know-how zu verfügen. Oder sie hatten Vorbehalte, die Hoheit über die eigenen Daten einem Außenstehenden anzuvertrauen. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass sich in letzter Zeit ein ganz neuer und ganz eigener Stadtwerke-Trend für den Ausweg aus der Kostenschere entwickelt hat.
Das neue Modell hat ganz unterschiedliche Namen. Die einen nennen es Co-Sourcing, die anderen Kompetenz-Center. Gemeint ist aber immer das Gleiche: verschiedene Stadtwerke tun sich zusammen um ihre IT-Landschaft gemeinsam und kooperativ zu betreiben. In der Regel übernimmt hierbei eines der Stadtwerke die Rolle des IT-Dienstleisters, der die Softwarelösungen als Rechenzentrum für die anderen Partner betreibt. Die Vorteile dieses Modells liegen auf der Hand: dem IT-Dienstleister muss nicht erst beigebracht werden, wie die Prozesse in der Energiewirtschaft laufen. Und die angeschlossenen Partner haben ansonsten die gleichen Vorteile, die sie beim Outsourcing über einen externen IT-Dienstleister hätten. Darüber hinaus erschließen sich die IT-Dienstleister unter den Stadtwerken auf diesem Wege auch ein völlig neues Geschäftsfeld. Denn das Angebot kann natürlich jederzeit auch auf neue Partner ausgeweitet werden.
Das Kompetenz-Center entwickelt sich also zunehmend bei den kleinen und mittleren Stadtwerken zu einer ernst zu nehmenden Alternative zum Betrieb einer eigenen DV-Abteilung. Ein Trend, den natürlich auch Hersteller wie die Schleupen AG erkannt haben. Erfolgreiche Beispiele wie die Albatros Servicegesellschaft in Westerland, die Stadtwerke Herborn, die GGEW in Bensheim oder die Stadtwerke Radolfzell zeigen, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Softwarehersteller und Stadtwerk durchaus Sinn macht, wenn es darum geht, die Angebote für alle Beteiligten zu optimieren. Denn, wie Beispielrechnungen zeigen, liegen die Kosten für das Kompetenz-Center in der Regel nochmals deutlich unter denen für einen herkömmlichen Rechenzentrumsbetrieb. Aber auch intern sorgt das Modell für Kosteneinsparungen, da sich durch die Automatisierung von Geschäftsprozessen im Kompetenz-Center zahlreiche Abläufe sehr viel effizienter gestalten lassen. Und das Beste: trotz allem bleibt das Stadtwerk Herr über die eigenen Daten.
Autor: Manfred Diebitz/Uwe Pagel