Vom Vaterschaftstest bis zur Gen-Tomate
Benötigt werden die Oligos, wie die DNA-Sequenzen im Forscher Slang genannt werden, für die unterschiedlichsten Zwecke, beispielsweise für Vaterschafts-, aber auch für Speicheltests, wie Sie immer öfter bei der Fahndung nach Sexualverbrechern durchgeführt wurden. Hier müssen bestimmte Gen-Sequenzen vervielfältigt werden, damit man überhaupt ausreichende Mengen an identischer DNA bekommt, um diese Tests zuverlässig durchführen zu können. Aber auch in anderen Feldern der Genforschung kommen die Oligos zum Einsatz, von der Entwicklung schädlingsresistenter Pflanzen bis hin zu gentechnischen Experimenten mit Bakterien, zum Beispiel für die Insulinproduktion. Ein sensibles Feld, weswegen auch die "Ethik Erklärung" der UNESCO einen prominenten Platz innerhalb der Thermo-Hybaid-Site bekommen hat. Rund 1.000 "Oligos" werden in Ulm täglich individuell hergestellt, dazu kommen rund 50 Peptide, die in der Herstellung wesentlich aufwendiger sind. Peptide, das sind kleine Eiweiße, die ebenfalls vielfältige Verwendung finden. So werden in diesem Bereich beispielsweise die Eiweißhüllen bestimmter Viren nachgebaut, die dann in der Entwicklung neuer Impfstoffe Verwendung finden. Dieses Verfahren ist sehr viel sicherer, als wenn man dazu abgetötete Viren nehmen würde. Denn es kann unter Umständen immer vorkommen, dass dabei einzelne Viren überlebt haben.
Biotechnologie- und Web-Pionier
Schon 1995 begann Thermo Hybaid, damals unter dem Firmennamen Interactiva, als einer der ersten Anbieter in Europa mit der Produktion von Oligonukleotiden. Und ebenfalls als einer der ersten Anbieter setzte Interactiva von Anfang an auf die Vermarktung über das Internet. Nicht nur weil die Forscher in Universitäten und in der Industrie auch damals schon an dieses Medium gewöhnt waren. Der Bedarf an DNA- Bausteinen entsteht in der Regel sehr kurzfristig. Oft wird erst in laufenden Versuchsreihen klar, wie so ein Baustein aussehen soll. Und dann wird er schnell benötigt. 85 Prozent aller Aufträge werden deswegen inzwischen über das Internet abgewickelt, ein Anteil, von dem andere Branchen noch weit entfernt sind. Durch die intensive Nutzung des Internets entstand aber auch ein Fundus an Erfahrungen, die der Entwicklung der neuen eBusiness-Lösung auf Basis von Openshop zu Gute kamen.
Durchgängige Geschäftsprozesse
Eine wesentliche Anforderung war die Integration der Warenwirtschaft unter Navision. Nicht nur für die Übernahme von Preis- und Produktinformationen aus Navision als führendem System in die Openshop-Lösung, wie sie heute regelmäßig erfolgt. Vor allem die reibungslose Übergabe des Auftrags in Navision und die Weiterverarbeitung im angebundenen Laborsystem ist bei dem speziellen Angebot von Thermo Hybaid entscheidend. Denn jede händische Übernahme birgt ein hohes Fehlerrisiko. Ein Beispiel macht dies deutlich: Eine DNA-Sequenz besteht immer aus den vier Grundbausteinen Adenosin, Cytidin, Guanosin und Thymidin, kurz "a", "c", "g" und "t". Eine Bestellung könnte dementsprechend so aussehen: "aactgtcactgcatttcaggtaccctgatctgactacgcatga" – die Chancen für einen Schreibfehler sind beim Abschreiben entsprechend groß. Erfasst wird in der "Oligo-Konfiguration" aber nicht nur die Abfolge der Sequenz, sondern verschiedenste Zusatzinformationen, beispielsweise ob ein Fluoreszenzstoff eingebaut werden soll, mit dem die Sequenzen später wiedereinfach identifiziert werden können.
Erster Shop mit Standardmodul für UPS-Tracking
Eines der wesentlichen Probleme im Geschäft mit den Genbausteinen war in den vergangenen Jahren nicht zuletzt auch die Ungeduld der Kunden. Denn der Bedarf an solchen Bausteinen entsteht in der Regel kurzfristig, die jeweiligen Versuche in den Labors können erst beginnen oder fortgesetzt werden, wenn die Substanzen geliefert sind. Dementsprechend groß war bislang die Zahl der Anrufer im Thermo Hybaid Call Center, die wissen wollten, wo sich die Lieferung gerade befindet und wann sie ankommt. Und das nicht nur auf Deutschland beschränkt. Die Thermo-Hybaid-Kunden kommen aus aller Welt, aus ganz Europa und den USA, aber auch zunehmend auch aus dem arabischen Raum und aus Fernost mit Schwerpunkt Japan. In einem Call Center, in dem aufgrund der komplexen Problematik nur sehr qualifizierte Kräfte beschäftigt werden können, ist die Beantwortung derartiger Anfragen keine sehr sinnvolle Beschäftigung. Mit der Integration des UPS-Trackings gehört dieses Thema jetzt der Vergangenheit an. Erstmals in Deutschland (Europa?) wurde dies über ein standardisiertes Third-Party-Modul realisiert, das der Openshop Partner ulmweb.de im Rahmen dieses Projekt entwickelt hat. Damit können die UPS-Tracking-Informationen dem Kunden jederzeit online zur Verfügung gestellt werden. Dazu wird beim Versand die jeweilige Bestellnummer mit der UPS-Tracking-Nummer verknüpft. Will der Kunde nun wissen, wo sich seine Lieferung befindet, genügt ein Klick auf die Bestellnummer in der Auftragsanzeige, und die eBusiness-Lösung setzt sich mit dem UPS-System in Verbindung, um den Aufenthalt zu ermitteln. Dabei wird mit einem "Shake-Hand-Verfahren" und der digitalen Signatur sichergestellt, dass die Informationen tatsächlich nur dem angezeigt werden, der dazu auch die Berechtigung hat. Die Standortinformationen werden von UPS weltweit in 220 Ländern direkt und "realtime" abgefragt. Damit steht jedem Kunden, ob er nun in Japan oder in Brasilien sitzt, sofort die komplette und internationale Historie seiner Lieferung zur Verfügung, welche Wege sie genommen hat, und wo sie sich gerade befindet. Auch wenn die Lieferung bereits angekommen ist, zeigt das System, wer den Empfang quittiert hat. Auch Teillieferungen können mit dem UPS-Tracking-Modul erfasst und abgebildet werden. Und das sehr detailliert: Der Kunde kann die Wege der Teillieferungen genau verfolgen, auch wenn sie aus verschiedenen Ländern stammen. Diese Informationen werden in der Auftragsanzeige mit der Einführung eines neuen Laborsystems künftig um weitere Statusinformationen ergänzt, die den Weg der Bestellung bis zum Versand transparent machen.
Akzeptanz beim Anwender
Entsprechend der Zielgruppe mussten die Anwender nicht erst motiviert werden, das Angebot von Thermo Hybaid zu nutzen. Bei der neuen eBusiness-Lösung mit Openshop ging es vielmehr darum, bei einer "mündigen" Anwendergemeinde auf Akzeptanz zu stoßen. Nicht nur, die Gestaltung der Web-Seiten, sondern vor allem auch die technische Umsetzung musste hohen Ansprüchen genügen. Gleichzeitig mussten nicht nur die speziellen Ansprüche der Ulmer Thermo Hybaid GmbH abgebildet werden, sondern auch die Anforderungen und Geschäftsprozesse der Schwestergesellschaften. So kommen die Reagenzien von Thermo Hybaid aus Heidelberg und die biotechnischen Geräte aus der Konzernzentrale in Großbritannien. Der amerikanische Markt wird wiederum über eine eigene Tochtergesellschaft versorgt. Dementsprechend erfolgt die Steuerung der Bestellungen nicht nur abhängig vom Produktgebiet, sondern auch von der Region. Und neben den eBusiness-üblichen Anforderungen wie etwa der Zahlungsmöglichkeit per Kreditkarte galt es auch die speziellen Bedürfnisse der Zielgruppe abzubilden, zum Beispiel den Zugriff auf Wissensdatenbanken aus den unterschiedlichen Spezialbereichen. Und auch die Sicherheitsfunktionen spielten eine wichtige Rolle. Denn die Gentechnologie ist nicht nur ein sensibles Thema, sondern auch
ein Markt, in dem es um Millionengeschäfte geht. Ein anspruchsvolles Projekt also, das mit einem Aufwand von rund 220 Projekttagen fristgerecht abgeschlossen werden konnte. Sowohl funktional als auch technisch ist die eBusiness-Lösung von Thermo Hybaid auf Wachstum eingerichtet. Derzeit läuft das System zentral unter Windows 2000 und einer SQL Server 7-Datenbank. Eingesetzt wurde neben Openshop Business auch die Mall-Lösung von Openshop, denn schrittweise sollen weitere Unternehmen des Thermo Electron Konzerns ihre speziellen Angebote über die Biotech-Mall vermarkten. Aber nicht nur neue Anbieter werden das Spektrum der Thermo Hybaid-Site erweitern, sondern auch die weitere Internationalisierung. Als eines der nächsten Projekte steht die Übersetzung ins Japanische auf dem Programm.