Damit Märkte funktionieren, müssen die Marktteilnehmer
miteinander kommunizieren. Nicht nur mündlich oder auf
Papier, sondern bei den immensen Datenmengen im
liberalisierten Energiemarkt in erster Linie elektronisch.
Das gilt um so mehr, wenn das Beziehungsgeflecht
zwischen den Marktteilnehmern komplex ist. Auf dem
Energiemarkt war dies bisher eines der Hauptprobleme.
Denn es wurde zwar an einer Standardisierung des
Datenaustausches gearbeitet, an eine praktische
Umsetzung in den betroffenen Softwaresystemen war aber
lange Zeit wegen fehlender Verbindlichkeit nicht zu denken.
Abhilfe schaffen will hier die EDNA-Initiative (Energie-Daten,
Normen & Automatisierung), eine Vereinigung von
Softwareherstellern und Unternehmensberatern. Erste
Ergebnisse ihrer Arbeit wurden auf der
VDEW/EDNA-Fachtagung "EDM live" im September in
Hannover gezeigt. ew unterhielt sich mit Dr. Franz Hein,
EDNA Koordinator, und Helmut Lebeau vom Verband der
Elektrizitätswirtschaft e.V. (VDEW) über die Ergebnisse der
Veranstaltung und vor allem darüber, was sie für die
Anwender gebracht hat.
ew: 20 Softwaresysteme haben im September in Hannover
miteinander kommuniziert - auf Anhieb und fehlerfrei. Herr
Dr. Hein, Herr Lebeau, haben Sie so etwas schon mal zuvor
erlebt?
F.H: Also ich war wirklich angenehm überrascht. Denn
in
meiner früheren Funktion als Leiter einer
Datenverarbeitung
habe ich es eigentlich eher so erlebt, dass es immer erst
einmal schief ging, wenn zwei Systeme geliefert wurden,
die miteinander kommunizieren sollten...
H.L.: Ich kann mich da aus ähnlichen Erfahrungen
heraus
nur anschließen. Aber ich muss sagen, dass ich sehr
froh
bin, dass wir mit der EDNA einen Ansprechpartner
gefunden haben, der die Interessen der Software-Anbieter
so exzellent bündelt. Dadurch werden die Standards,
die
der VDEW für den liberalisierten Markt entwickelt hat
und
noch entwickelt schneller und vor allem gezielter umgesetzt.
Und dass das funktioniert, hat gerade die "EDM live" mit
ihrem praktischen Ansatz bewiesen.
ew: Gezeigt wurden im EDM-Live-Szenario
ausgewählte
Kernprozesse wie Kommunikation von Verbrauchsdaten
und von Fahrplänen. Können die Anwender
davon
ausgehen, dass die Kommunikation auf diesen Gebieten
jetzt wirklich funktioniert?
F.H.: Mit Sicherheit, denn die Grundlagen sind jetzt
geschaffen. Wir haben ja nicht nur fünf
ausgewählte
Prozesse gezeigt. Die 20 teilnehmenden Firmen haben
insgesamt 50 Rollen in diesem Szenario "gespielt" und so
bewiesen, dass die Prozesse funktionieren. Das, was
damit geschaffen wurde, ist jetzt die Basis für alles,
was in
Richtung Automatisierung der Geschäftsprozesse
weitergehen muss.
H.L.: Die "EDM live" hat gezeigt, dass die Kommunikation
funktioniert. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass
damit alle Probleme gelöst sind. Das Ganze,
nämlich
diese Kommunikation in der Praxis zwischen über
1000
Marktteilnehmern umzusetzen, ist wiederum ein Prozess,
der aber, wie ich denke, jetzt eine wichtige Hürde
genommen hat.
ew: Der Austausch von Verbrauchsdaten und
Fahrplänen,
das ist ja nur ein Teil der Problematik. Weitere wichtige
Prozesse wie der Austausch von Kunden- und
Rechnungsdaten oder der Kundenwechselprozess stehen
ebenfalls an. Ist hier auch mit einer zügigen
Umsetzung zu
rechnen?
H.L.: Wir sind hier in Deutschland auf einem recht guten
Weg und haben auch in Europa mit der Beschreibung
beispielsweise des Nachrichtentyps UTILMD, mit dem
Kundendaten ausgetauscht werden, bereits eine
Führungsrolle übernommen. In der
Projektgruppe
"Datenaustausch und Mengenbilanzierung" befassen wir
uns zur Zeit mit der Beschreibung der
Kommunikationsprozesse und den dabei zu
berücksichtigenden Fristen. Ich gehe davon aus, dass
wir
bis zum Jahresende auch hier einen großen Schritt
weiter
sind. Denn ohne eine Festlegung dieser Fristen für
die
einzelnen Prozessschritte können diese auch nicht
automatisiert ablaufen.
F.H. Wir sind bei der EDNA-Initiative ja angetreten, die
Geschäftsprozesse zu automatisieren. Die
Standardisierung der Datenformate ist da nur eine der
Voraussetzungen. Bei den weiteren Prozessen sind wir
deswegen derzeit intensiv dabei, ebenfalls die Grundlagen
zu schaffen. Der Kundenwechselprozess ist solch ein
Thema. Aber wir haben zudem die Not der Unternehmen im
Bereich der Rechnungsstellung erkannt. Deshalb ist auch
das ein Prozess, den wir mit Sicherheit zügig
anpacken.
ew: Bislang haben Hersteller und Verbände eher
nebeneinander her gearbeitet. Zwischen der Ausarbeitung
von Marktregeln, deren Umsetzung in einzelnen
Geschäftsprozessen und der technischen Umsetzung
in
IT-Systemen gab es einen regelrechten Bruch. Funktioniert
die Zusammenarbeit zwischen VDEW und EDNA jetzt
besser?
F.H.: Die ist hervorragend geworden! Ursprünglich
war es
tatsächlich so, dass wir nicht miteinander gearbeitet
haben,
in der Zwischenzeit arbeiten wir eng zusammen. Und nicht
nur mit dem VDEW oder mit der DVG, sondern auch mit
internationalen Verbänden. Wir sind
korrespondierendes
Mitglied bei der ETSO Task Force 14, die sich
gegenwärtig
mit dem europaweiten Fahrplanaustausch
beschäftigt, und
wir arbeiten eng mit der EFET zusammen. Denn man muss
diese Dinge als europäische Aufgabe sehen, nicht
nur als
deutsche...
H.L.: Die Zusammenarbeit mit der EDNA hat uns aber auch
hier in Deutschland die Arbeit bereits sehr erleichtert, was
die softwaretechnische Umsetzung der Standards für
den
liberalisierten Markt angeht. Da gibt es einen regen
Informationsaustausch. Es kommt hinzu, dass es, wie Herr
Dr. Hein richtig bemerkt hat, um einen europäischen
liberalisierten Energiemarkt geht. Und da hat ja nun nicht
nur die Gas-Seite in Deutschland den
VDEW-Metering-Code übernommen. Auch
Österreich oder
die Schweiz haben sich daran und an dieser eindeutigen
Zählpunktbezeichnung orientiert. Es gilt nun, die
Zählpunktbezeichnung europaweit zu standardisieren.
Ein
anderer Punkt ist die eindeutige Identifikation der
Marktpartner. Hier wird sich wohl der EAN-Code
durchsetzen. Der VDEW bietet für diese Identifikation
den
Unternehmen in Deutschland eine so genannte
VDEW-Codenummer an, die genauso aufgebaut ist, wie die
International Location Number (ILN) des EAN-Code. Schon
mehr als 200 Netzbetreiber, Lieferanten und
Bilanzkreisverantwortliche haben sich über unsere
Web-Site www.strom.de kostenlos eine solche Nummer
geben lassen. Diese Unternehmen erfüllen damit
eine
wichtige Voraussetzung für die weitere
Automatisierung der
Kommunikation im liberalisierten Markt.
ew: In Hannover wurde das EDIFACT-Format MSCONS
für
die Verbrauchsdaten und das Excel-Format DVG-KISS
für
die Fahrpläne verwendet. Das soll jetzt durch ein
XML-basiertes Format abgelöst werden. Droht da
nicht ein
Durcheinander?
F.H.: Ich sehe hier kein Durcheinander. Aus zunächst
rein
praktischen Erwägungen heraus wurde das
Vorhandene
genommen - beispielsweise MSCONS oder das
KISS-Format - damit der Markt überhaupt erst einmal
weitermachen kann. Es muss bei den Unternehmen
einfach mal eine Grundlage für den elektronischen
Datenaustausch da sein. Aber das Bessere ist des Guten
Feind! Und es wird sicherlich so sein, dass XML der Weg in
die Zukunft ist, sobald die Normung da weiter
vorangeschritten ist. Es gibt ja inzwischen eine ganze Reihe
von Branchen und Institutionen, die im eBusiness in diese
Richtung voranschreiten. Die Strombranche wird hier sicher
keine Ausnahme machen. Die EDNA-Initiative bereitet sich
darauf vor und wird vor allem daran mitarbeiten.
H.L. Ich kann mich dem im Grund nur anschließen. Wir
setzen im Moment auf den
eingeführten und bewährten EDIFACT-Standard,
denn auch
Ihre Telefonrechnung wird beispielsweise mit
EDIFACT-Nachrichten übermittelt und erstellt. Wir sind
parallel dazu aber auch offen für XML, das ist ganz
klar. Und
zwar dann, wenn sich bei XML ein entsprechender
Standard etabliert hat Daran wird gearbeitet, aber es ist
noch nicht so weit. Man rechnet etwa in ein bis zwei Jahren
damit, dass ebXML verfügbar sein wird. Heute
müssen die
Unternehmen 60 bis 80 Schnittstellen bedienen. Mit
EDIFACT, KISS und XML werden es für eine
Übergangszeit
drei Schnittstellen statt einer sein, also ist das kein
großes
Problem.
ew: Eine Sache ist die Standardisierung. Eine andere ist es,
sicherzustellen, dass diese Standards auch einheitlich
verwendet werden ...
F.H.: Wir werden bei der EDNA-Initiative ganz besonderen
Wert darauf legen, dass es in Zukunft so etwas wie eine
Qualitätssicherung gibt, vielleicht sogar ein
Qualitätssiegel.
Das Einfügen von IT-Systemen in die
informationstechnischen Netzwerke des Energiemarktes
soll schließlich so einfach werden wie das Einstecken
eines Netzsteckers. Aus meiner Sicht ist ein Standard aber
nur dann überlebensfähig, wenn er am Markt
erfolgreich ist.
Wenn es sich also für den Anwender lohnt, ihn zu
kaufen
bzw. wenn es kostengünstiger ist, in Systeme zu
investieren, die diesen Standard erfüllen.
Aufdrücken kann
man einen Standard nicht!
H.L.: Die Situation stellt sich für uns so dar, dass der
VDEW
an dieser Stelle immer nur Empfehlungen geben kann. Wir
können Standards nicht verordnen. Durch die
Zusammenarbeit mit der EDNA-Initiative haben wir jetzt eine
große Hoffnung und Erwartung, dass die Standards,
die wir
entwickelt haben, auch zeitnah in die Praxis umgesetzt
werden.
Herr Dr. Hein, Herr Lebeau, wir danken für das
Gespräch!
Verzeichnis der benutzten Abkürzungen:
EAN European Article Number
XML eXtensible Markup Language
ebXML electronic business eXtensible Markup Language
EDIFACT Electronic Data Interchange For Administration,
Commerce and Transport
KISS-Format Excel-Format für die Meldung von
Fahrplänen
zwischen Lieferanten und Bilanzkreiskoordinatoren