Die Kässbohrer Geländefahrzeug AG hat in diesem Monat die Produktion des 15.000. PistenBully gefeiert. Die Belegschaft des Unternehmens erfüllt das Jubiläum berechtigterweise mit Stolz. In der Pisten- und Loipenpflege sowie bei der Gestaltung von Funparks sind die PistenBully mit einem Marktanteil von über 50 Prozent weltweit führend – eine Entwicklung, von der zu Beginn noch keiner zu träumen wagte. Auch die drei Meister der Fertigung, Walter Sautter, Josef Haumann und Erwin Kasberger, nicht, die bereits seit den 60er- und 70er-Jahren die gesamte PistenBully-Geschichte miterlebt haben.
Walter Sautter ist heute als Meister für die Produktion zuständig. Als Lehrling im zweiten Ausbildungsjahr wurde er 1968 in eine Holzbaracke gerufen, wo sich der Versuchsbereich der Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke befand. "Damals hat man zunächst noch von einer ,Schneewalze’ gesprochen", erinnert sich Walter Sautter. Alles, was in der Holzbaracke vorging, oblag natürlich höchster Geheimhaltung. "Die Tatsache, dass das zu entwickelnde Fahrzeug die nächsten vier Jahrzehnte meines Arbeitslebens entscheidend prägen würde, habe ich zu diesem Zeitpunkt niemals für möglich gehalten", sagt Walter Sautter heute.
Die Idee für den PistenBully war Karl Kässbohrer im Winterurlaub auf der Seiser Alm gekommen. Er hatte sich darüber geärgert, dass das dortige Fahrzeug zur Pistenpräparation – natürlich "Marke Eigenbau" – ausgefallen und nicht reparabel war. Mit seinem Bruder Otto teilte Karl Kässbohrer eine ausgeprägte Neugier auf alle außergewöhnlichen Vehikel. Die Kässbohrer-Brüder beauftragten also ihren Konstrukteur Walter Haug mit der Entwicklung eines Pistenfahrzeugs, das mit seiner Technik den Marktanforderungen gerecht werden würde. Im Juni 1968 zog Haug den ersten Bleistiftstrich und gilt seitdem als der "Urvater" des PistenBully.
Die mechanische Pistenpflege ist 1968 noch keine 10 Jahre alt. Erstmals wurden 1960 Bilder von kettenbetriebenen Armeefahrzeugen im Rahmen der Vorbereitungen für die 8. Olympischen Winterspiele von Squaw Valley in der Sierra Nevada weltweit im Fernsehen gezeigt. Der Einstieg in das neue Geschäftsfeld wollte gut überlegt sein, denn die Konkurrenz war groß. Etwa 10 Firmen und einige Hobbykonstrukteure beschäftigten sich mit Pistenfahrzeugen. Das zugrunde liegende Konzept war weitgehend gleich: Benzinmotor, Hebelsteuerung mit Lenkbremsen, Schaltgetriebe sowie Scheiben- oder Trommelbremsen.
Kässbohrer wählt einen anderen Ansatz: Das Fahrzeug verfügt zunächst noch über einen Vorderradantrieb und einen 120-PS-Benzinmotor von Daimler-Benz – aber bereits über einen hydrostatischen Fahrantrieb, eine Lenkradsteuerung sowie ein geräumiges Fahrerhaus und eine große Ladeplattform. Der erste Prototyp wird im Dezember 1968 auf eine "Panzer-Teststrecke" bei Ulm geschickt. Die erste Kleinserienfertigung erfolgt 1969: Die fünf PistenBully 32.120 B sind inzwischen auf Hinterradantrieb ungestellt worden und in ihnen pocht der Herzschlag eines 120 PS starken Sechs-Zylinder-Motors. "Danach entschied man sich für Dieselmotoren – die Benziner verfügten in Höhenlagen über zu wenig Verbrennungsluft", blickt Walter Sautter zurück. 1971 steht das Pistenfahrzeug aus Ulm in Flaine/Hochsavoyen vor seiner ersten Bewährungsprobe – und meistert diese mit Bravour. Der PistenBully setzt sich im internationalen Vergleichswettbewerb gegen die Konkurrenten souverän durch. Das Modell 39.145 D überzeugt vor allem mit seinem hydrostatischen Fahrantrieb: Während den Fahrzeugen der Konkurrenz wegen ihres Schaltgetriebes ein ständiger Kräftefluss fehlt und sie dieser Tatsache am Hang Tribut zollen müssen, klettert der PistenBully in stufenlos regulierbarer Geschwindigkeit bergaufwärts und kann sich auf diese Weise dem jeweiligen Gelände und den Schneebedingungen ideal anpassen. Damit war klar, dass die Idee des PistenBully Zukunft hat. Erwin Wieland – damals Gebietsverkaufsleiter für SETRA-Omnibusse – baut den Vertrieb des PistenBully ab 1971 auf und prägt in den nächsten 30 Jahren die Geschichte des PistenBully ganz entscheidend.
Noch im selben Jahr wird die Weiterentwicklung des Modells 145 vorgestellt. Der 170 D wartet mit einem kippbaren Fahrerhaus auf. An diesem Plus an Servicefreundlichkeit ist Josef Haumann, heute Meister in der Kettenfertigung, schon beteiligt: Der gelernte Landmaschinenmechaniker schweißt in der Schlosserei die selbsttragenden Rahmen der PistenBully in Gerippebauweise. Der internationale Marktdurchbruch gelingt 1972 bei den Olympischen Winterspielen im japanischen Sapporo, wo der PistenBully die Pistenpräparierung übernimmt. Im selben Jahr hatte Erwin Kasberger, der inzwischen seit 20 Jahren gemeinsam mit Walter Sautter als Meister die Produktion verantwortet, seine Ausbildung bei Kässbohrer gerade abgeschlossen. Die Erinnerung an Sapporo ist in ihm ebenso lebendig wie bei seinen Kollegen Sautter und Haumann: "Für den PistenBully war das ein Meilenstein", sagen sie unisono.
Das Dreigestirn Sautter, Haumann und Kasberger hat die Geschichte des PistenBully durch die Jahrzehnte hindurch miterlebt. Auch noch die Zeiten, in denen die Pisten-Bully-Sparte innerhalb der Kässbohrer Fahrzeugwerke noch eher stiefmütterlich behandelt wurde: "Man hat uns belächelt und nicht gerade sehr ernst genommen", meint Kasberger. Sautter stimmt ihm zu: "Was wollt’ denn Ihr mit Euren paar Bullys?", habe er oft von den Omnibus-Kollegen zu hören bekommen. "Es wurde uns sogar nachgesagt, dass man uns mitfüttern müsse", ergänzt Haumann. "Das war aber falsch. Wir haben niemals rote Zahlen geschrieben – und auch in puncto Ansehen hat sich das Blatt dann schnell gewendet", unterstreicht Sautter mit einer unüberhörbaren Genugtuung.
Der Siegeszug des PistenBully nahm unaufhaltsam seinen Lauf: Zehn Jahre nach seiner Vorstellung sind 1979 bereits über 2.000 Fahrzeuge in 35 Ländern im Einsatz. In diese erste Dekade fällt auch eine lange Liste an grundsätzlichen Neuerungen, die Schritt für Schritt hinzukommen: Ab der zweiten Serie bekommt der PistenBully ein Glättebrett und ein Räumschild, danach folgen unter anderem ein Loipenspurgerät und 1976 eine Fräse. In den Anfangsjahren mussten die Mitarbeiter den PistenBully noch mit vereinten Kräften durch die Fertigungshalle schieben. Der erste Rangierwagen für den Transport folgt erst 1977. "Das war ein umgebauter, und eigentlich ausrangierter Hubstapler. Der damalige Fuhrparkleiter hat ihn beim Vorführen gleich in den Graben gesetzt", erklärt Sautter und muss heute noch lachen. Ende der 70er-Jahre wird auch das Werk 2, das man sich bis dato mit anderen Kässbohrer-Produkten teilte, modernisiert und zum eigenständigen PistenBully-Gebäude.
Mitte der 80er-Jahre wird der PistenBully 060 D - 110 mit seinen Weiterentwicklungen 150 D und 160 D schließlich zur weltweit erfolgreichsten Loipenmaschine. Kurz darauf folgt der 200 DW als erstes Fahrzeug mit einer Überkopfwinde für die Steilhangpräparierung. Apropos Steilhang: Bei der ersten Auslieferung auf die Zugspitze mussten Walter Sautter und Josef Haumann den PistenBully oben am Bahnhof Schneefernerhaus zerlegen, um ihn aus dem Tunnel rauszubringen. Oben angekommen, waren sie gezwungen, mit dem Fahrzeug einen Steilhang bergabwärts zu bewältigen, um zu ihrem eigentlichen Einsatzgebiet zu gelangen. "Zu diesem Zweck wurde der Schnee extra nicht weggesprengt – damit wir sozusagen darauf runterreiten konnten", sagt Sautter. Auch die folgenden Auslieferungen auf die Zugspitze waren nicht weniger abenteuerlich: Ein Mal musste der PistenBully abgeseilt werden, als zu wenig Schnee lag. Ein anderes Mal geriet Josef Haumann im Zugspitz-Stollen erheblich ins Schwitzen, weil alle nur noch auf seine Rückkehr warteten, um endlich eine notwendige Sprengung vornehmen zu können. Solche Erlebnisse schweißen natürlich zusammen. "Wir sind ein richtig verschworener Haufen", betont Erwin Kasberger in diesem Zusammenhang.
Daran ändert sich auch 1994 nichts, als der Produktbereich "Geländefahrzeuge" der ehemaligen Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke GmbH in ein unabhängiges Unternehmen umgewandelt wird. Ganz im Gegenteil. Auch der Erfolg des PistenBully hält an: 1997 wird das 10.000. Fahrzeug ausgeliefert. Es ist mittlerweile in 52 Ländern und auf allen sechs Kontinenten im Einsatz. Die 90er-Jahre bringen unter anderem den PistenBully 300 hervor. Er zeichnet sich durch extreme Steigfähigkeit, geringen Wartungsaufwand sowie eine automatische Kettenspannung aus. Josef Haumann aus der Kettenfertigung muss dabei an die Anfangszeit zurückdenken: "Früher mussten wir beim Kunden vor jeder Vorführung die Ketten von Hand aufwickeln und benötigten zwei Stunden, bis sie montiert waren. Mensch, haben wir uns damals noch plagen müssen."
1998 erfolgt der Börsengang der Kässbohrer Geländefahrzeug AG. Die Aktie wird am 16. September erstmals an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Vier Jahre später zieht das Unternehmen in das neue Firmengelände in Laupheim. "Das neue Werk ist wunderschön. Alles ist moderner, die Arbeit fällt einem leichter", lobt Erwin Kasberger. Im Jahre 2002 kommt auch der PistenBully 300 Polar auf den Markt. Mit 455 PS ist er der stärkste PistenBully aller Zeiten.
Der Konkurrenz ist der PistenBully von Beginn an stets einen Schritt voraus: "Wir hatten beim Pistenfahrzeug das Patent auf den hydrostatischen Fahrantrieb und konnten zwischenzeitlich die Elektronik weiterentwickeln. Diesen Vorsprung halten wir bis zum heutigen Tage", so Walter Sautter. Diese Tatsache ist sicherlich auch auf den großen Ehrgeiz der Mitarbeiter zurückzuführen: "Bei den Vorführungen mussten wir im direkten Vergleich mit den anderen Wettbewerbern den Berg hinaufkommen. Ich habe niemals ein Rennen freiwillig hergeschenkt – ohne Rücksicht auf Verluste", verrät Sautter. Sein Kollege Haumann erinnert daran, dass sie früher zum Teil bis zu 65 Stunden pro Woche gearbeitet haben: "Oft haben wir noch um 1 Uhr morgens aufgeladen."
An welchem Modell ihr Herz hängen geblieben ist, vermögen die drei Meister nicht zu sagen: "Der 170 D hatte erstmals ein schönes rundes ‚Gesicht’ – ab dem 240er wurde erst so richtig aufs Design geachtet...." Von dem aktuellen PistenBully 600, der das Neueste an Technologie mit brandheißem Design kombiniert, sind sie jedenfalls begeistert: "Das ist in jeder Hinsicht eine absolute Top-Maschine", spricht Kasberger für alle. "Ein PistenBully ist und bleibt ein PistenBully – Technik ist Technik", fasst Sautter zusammen. Walter Sautter, Josef Haumann und Erwin Kasberger sind mit dem PistenBully aufgewachsen. Oder andersherum: Vielleicht ist auch der PistenBully mit ihnen groß geworden. Auf jeden Fall ist das Wachstum beeindruckend – denn 15.000 PistenBully sind eine stolze Zahl.
Kässbohrer Geländefahrzeug AG
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Autor: Boris Fazzini