"Ein Unternehmen, das das Thema
Energiedatenmanagement nicht beherrscht,
ist zum Scheitern verurteilt", das Urteil von
Praktikern wie Ronnie Götze,
Fachbereichsleiter Zählerwesen bei der
Dresdner DREWAG ist eindeutig. Für einen
funktionierenden Energiemarkt ist es
unumgänglich, dass die Daten zwischen den
Marktteilnehmern elektronisch und vor allem
automatisiert ausgetauscht werden können.
Dazu gehören entsprechende professionelle
Softwarelösungen ebenso wie eine
"gemeinsame Sprache", also
Standardformate für den Datenaustausch, wie
sie in anderen Branchen beispielsweise auf
Basis von EDIFACT längst selbstverständlich
sind. Umso unverständlicher, dass immer
noch große Teile der Energiewirtschaft vom
Glauben beseelt zu sein scheinen, mit Hilfe
eines Programms für die Tabellenkalkulation,
mit Excel, sämtliche Aufgaben des
Managements von Energiedaten lösen zu
können – inklusive eines sicheren und
geregelten Austauschs von Daten. Dieser
Glaube ist offensichtlich so stark, dass sich
selbst das Bundeswirtschaftsministerium
und die Verbände davon beeinflussen lassen,
und in ihrem "Best-Practice-Ansatz" für den
Austausch der Kundendaten beim Wechsel
des Lieferanten auch ein Excel-kompatibles
Format empfehlen – neben den
Industriestandards EDIFACT und XML.
Wie viele Mitarbeiter von Energieversorgern
immer noch damit beschäftigt sind, Daten in
Excel-Tabellen einzugeben, zu pflegen und zu
versenden, lässt sich nur schwer abschätzen.
Ihre Zahl dürfte aber leicht in die
Zehntausende gehen. Gerne werden in der
Branche Geschichten kolportiert, wie die über
einen großen Energieversorger, bei dem im
Foyer eigens Trennwände aufgestellt werden
mussten, um dort Platz für neue Excel-
Arbeitsplätze zu schaffen. Die Gründe für
diese Excel-Manie sind vielfältig. Während
kleinere Stadtwerke schlichtweg die Kosten
der Einführung eines Systems für das
Energiedatenmanagement (EDM) scheuen,
kommt es anderen durchaus entgegen, dass
die Kommunikation nicht funktioniert. Denn
sie sehen ihr angestammtes Netzgebiet
immer noch durch die alte Monopolistenbrille.
Wettbewerb ist für sie etwas, das man besser
draußen hält. Und wieder andere warten
schlichtweg ab, weil sie sich beispielsweise
für das System der SAP entschieden haben.
Das Problem: dieses EDM-System kommt
sehr spät, erst in diesem Jahr haben erste
Pilotkunden mit der Einführung begonnen.
Dabei gibt es längst Alternativen:
Softwaresysteme für das
Energiedatenmanagement, die nicht nur
längst in der Praxis funktionieren, sondern
sich auch unterhalten können, also eine
"gemeinsame Sprache" sprechen. Dass dies
funktioniert, dafür sorgt die EDNA-Intitiative.
EDNA steht für "Energie, Daten, Normen und
Automatisierung" - und dieser Name ist
Programm. Insgesamt 44 Softwarehäuser
und Unternehmensberatungen haben sich
hier mit dem Ziel zusammengeschlossen, die
Geschäftsprozesse zwischen den
Markteilnehmern im Energiemarkt zu
automatisieren und ihre Softwarelösungen
entsprechend auszubauen. Und obwohl sie
im Alltag untereinander im Wettbewerb
stehen, haben sie bereits gezeigt, dass sie
auch zusammenarbeiten können, und vor
allem: dass der Datenaustausch funktioniert.
So wurde dieser Austausch beispielsweise
schon im Herbst 2001 anlässlich einer
Fachtagung des VDEW live demonstriert.
Über 20 Softwaresysteme hinweg wurden
Energieverbrauchsdaten und Fahrpläne
ausgetauscht. Und auch der
Lieferantenwechsel wird, so wie von den
Verbänden und dem
Bundeswirtschaftsministerium im April
verabschiedet, bereits von ersten Systemen
unterstützt.
Dass es vor diesem Hintergrund immer noch
Energieversorger gibt, deren Mitarbeiter Excel-
Tabellen pflegen, verwundert schon. Vor
allem wenn man sieht, dass andere
Unternehmen das Thema EDM längst auch
als ein strategisches Thema erkannt haben,
mit dem sich Vorteile im Wettbewerb erzielen
lassen. Denn die Zahl der
Vollstromversorgungsverträge nimmt ab, und
die Stadtwerke müssen zunehmend aktiv am
Markt agieren, um so den Strom
entsprechend günstig einkaufen zu können.
"Um den Energie-Einkauf optimieren zu
können brauchen Sie ein aktives
Portfoliomanagement. Und das baut auf einer
Vielzahl von Daten auf. Allein mit Excel können
sie diesen Prozess deswegen nicht
abbilden", so Frank Baumann, EDV-Chef bei
den Stadtwerken Meiningen. So müssen hier
aus den Verbrauchsdaten, die sowohl aus
dem eigenen Versorgungsgebiet als auch
aus denen anderer Netzbetreiber bis zum
frühen Vormittag eintreffen, sofort Prognosen
für den Bedarf des nächsten Tages erstellt
werden. Diese Prognosen sind dann Basis
für den Stromeinkauf, beispielsweise an der
Leipziger Strombörse LPX, der bis 12.15 Uhr
über die Bühne gegangen sein muss.
Danach müssen dann die entsprechenden
Fahrpläne erstellt und an die
Bilanzkreisverantwortlichen übermittelt
werden. Solch ein Prozess lässt sich ohne
enge Integration und Automatisierung der
Abläufe kaum bewältigen. Andere Stadtwerke,
wie etwa die Neubrandenburger Stadtwerke,
gehen noch weiter. Sie wollen EDM-Systeme
künftig nicht nur für sich selbst nutzen,
sondern auch als Dienstleister auftreten, der
das Energiedatenmanagement für andere
Stadtwerke mit übernimmt.
Uwe Pagel