Wenn es um die Verarbeitung von Rechnungen geht, arbeiten die Unternehmen der Energiewirtschaft fast immer noch durchgängig mit Papier. Das bedeutet jedoch nicht nur einen enormen manuellen Aufwand, viele Unternehmen setzen sich auch einem großen bilanziellen Risiko aus, ohne es zu wissen. Denn egal, ob bei den Kosten für die Netznutzung oder die Beistellung, genaue Zahlen liegen in der Regel erst viel zu spät vor. Und die manuelle Übertragung vom Papier in die Softwaresysteme ist fehlerträchtig. Dabei gibt es längst Verfahren, den Rechnungseingang auf Papier elektronisch zu erfassen und weiterzuverarbeiten.
Schon die "Rechnung" an sich ist im Energiemarkt sehr viel komplexer aufgebaut, als dies in anderen Branchen die Regel ist. Während es dort nur wenige relevante Informationen gibt, die bei einer elektronischen Verarbeitung erkannt werden müssen, wie Rechnungsnummer, Auftragsnummer, Artikel, Betrag und Adressdaten, sind bei Energierechnungen zahlreiche weitere Informationen für die weitere Verarbeitung notwendig. Dazu gehören Zählerstände, Verbrauchsdaten, Zählpunkte, Guthaben oder Abschlagsbeträge. Dazu kommt die Vielzahl der Belegarten: Beistellungs- und Netznutzungsrechnungen, Vertragsbestätigungen, Abschlagsforderungen, Sammelabschlagsforderungen, Monats- oder Jahresrechnungen. Auch der Umfang dieser Belege schwankt extrem: Vom einseitigen Beleg bis zum mehrere hundert Seiten starken Sammelwerk ist alles vertreten. Selbst Rechnungen im A3-Format sind keine Ausnahme, wie das Beispiel LEW zeigt. Der manuelle Aufwand, diese unterschiedlichen Belege zu prüfen, zu erfassen und weiterzuverarbeiten, ist enorm. Und er nimmt proportional zu, je mehr Netzgebiete und Kunden beliefert werden. Wie Praxisbeispiele zeigen, steigt die Zahl der zu verarbeitenden Belege dabei schnell in die zehntausende. Ein Stromanbieter wie die BMR Service GmbH, die bundesweit zehntausende von Landwirten beliefert, kommt beispielsweise allein bei den Netznutzungsrechungen auf mehr als 30.000 Belege pro Jahr.
Vom Papier zur elektronischen Information
Um eine Papierrechnung elektronisch verarbeitbar zu machen, müssen zunächst einmal die wesentlichen Inhalte dieser Rechnung erkannt und korrekt zugeordnet werden. Mit Scannen allein ist es hier nicht getan, denn die Belege sollen ja nicht nur elektronisch archiviert, sondern direkt weiterverarbeitet werden. Nötig ist deswegen eine leistungsfähige Formularerkennung, die nicht nur die gedruckte Schrift mit Hilfe des OCR-Verfahrens in elektronische Daten umwandelt, sondern gleichzeitig auch erkennt, welches die Rechnungsnummer ist, wo die Auftragsnummer steht oder auf welche Zählpunkte sich diese Rechung bezieht. Um eine automatische Verarbeitung möglich zu machen, müssen Adressdaten, die Zuordnung zum Verteilnetzbetreiber, Vertragsdaten, Verbräuche oder Tarife anschließend auf ihre Plausibilität und Korrektheit überprüft werden. Dazu werden beispielsweise auch die Stammdaten aus den Systemen für die Energielogistik wie dem AKTIF dataService oder aus Abrechnungs- und ERP-Lösungen wie SAP oder Schleupen herangezogen. Mit den entsprechenden Verfahren lässt sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine sehr hohe Zuverlässigkeit erzielen. Nach Erfahrungen der All for One AG, mit der AKTIF Technology im Bereich der Rechnungsverarbeitung eng zusammenarbeitet, liegt die Zahl der Belege, die zur Nachbearbeitung angezeigt werden unter drei Prozent (feldbezogen), wobei nur ein Prozent der Werte manuell ausgebessert werden muss. Die restlichen zwei Prozent werden lediglich quittiert, beziehungsweise bestätigt. Allein durch die Automatisierung des Rechnungseingangs spart das Unternehmen in diesem Bereich rund 80 Prozent des manuellen Aufwandes ein – eine derartige Lösung rechnet sich je nach Belegvolumen so bereits nach sechs bis zwölf Monaten.
Im nächsten Verarbeitungsschritt werden die Rechnungen auf ihre inhaltliche Korrektheit überprüft. Dazu werden die einzelnen Beträge mit den Informationen einer Datenbank abgeglichen, in der sämtliche Netzentgelte der deutschen Netzbetreiber hinterlegt sind. Ähnliche Daten stehen übrigens auch für Österreich zur Verfügung. Mit Hilfe einer Simulationsrechnung werden die tatsächlich ermittelten Beträge mit den geltenden Tarifen abgeglichen und bei Übereinstimmung automatisch zur Zahlung freigeben. Die Übergabe an die Buchhaltung erfolgt dann ebenso automatisch wie die Archivierung der Originalbelege durch die Integration der entsprechenden DMS-Lösungen.
Die Papierrechnung: Ein bilanzielles Risiko
Während die Einsparungspotenziale durch die Automatisierung des Rechnungseingangs schnell offensichtlich sind, werden die positiven Auswirkungen der dadurch gewonnen Transparenz vielfach völlig unterschätzt. Denn welches Unternehmen in der Energiewirtschaft weiß heute eigentlich ganz genau, wo es im Moment steht, wie sich die Netznutzungskosten aktuell und in der Zukunft darstellen und welche Belastungen auf das Unternehmen dadurch zukommen werden. Derzeit bewegen sich hier viele Unternehmen im Blindflug, mit den entsprechenden persönlichen Risiken auch für Geschäftsführer und Vorstände. Denn es werden keine korrekten Rückstellungen gebildet und die Bilanzen sind angreifbar. Ganz abgesehen davon, dass die wesentlichen Daten, die für eine strategische Unternehmensführung absolut notwendig sind, schlichtweg nicht vorliegen. Schließlich machen die Netznutzungskosten einen hohen Anteil an den Gesamtenergiekosten aus. Fehlen hier zuverlässige Zahlen, sind sowohl Zukunftsbetrachtungen, wie etwa Preiskalkulationen oder Erfolgsrechnungen, aber auch die umgekehrte Sicht in die Vergangenheit, beispielsweise Rentabilitätsberechnungen oder die allgemeine Erfolgskontrolle im Unternehmen, zu einem großen Teil ein "Stochern im Nebel".
Eine automatisierte Rechnungsverarbeitung und die Integration zusätzlicher Informationen, wie sie etwa Netzentgelt-Datenbanken bietet, schafft hier sofort Abhilfe. So kann ein solches System auf Basis der hinterlegten Netznutzungsentgelte der deutschen Verteilnetzbetreiber automatisch hochrechnen, welche Netznutzungskosten tatsächlich zu erwarten sind. Dabei werden auch Preisbestandteile wie Konzessionsabgabe oder KWKG berücksichtigt. Damit ist nicht nur zu jedem Zeitpunkt der aktuelle Finanzstatus des Unternehmens bekannt. Es können darüber hinaus Rückstellungen gebildet werden, die die nicht abgerechneten Kosten für bereits in Anspruch genommene Netznutzungsleistungen korrekt darstellen. Mit Hilfe der Rechnungsprüfung werden diese Rückstellungen dann automatisiert aufgelöst, die eingelesenen Rechnungen werden dabei maschinell mit den entsprechenden Positionen abgeglichen. In der Bilanz selbst stehen damit realistische Werte nicht nur auf Seite der Rückstellungen, auch die bereits geleisteten Vorauszahlungen für noch nicht in Anspruch genommene Netznutzungsleistungen sind korrekt erfasst. Damit stellt eine saubere Abgrenzung keinerlei Problem mehr dar, was den Prozess der Wirtschaftsprüfung deutlich erleichtert.
Dass dabei über die elektronische Rechnungsprüfung überhöhte oder zu niedrige Rechnungen sowie Abschlagsforderungen sofort erkannt werden, ist dabei fast schon als willkommener Nebeneffekt zu betrachten. Die Rechnungsprüfung liefert daneben die Basis für umfangreiche Auswertungen, für ein effizientes Controlling sowie für die Rentabilitätsberechnung und die Angebotskalkulation. So können die errechneten Beträge beispielsweise als Gesamtüberblick für den Einzelkunden, für Bündelkunden oder Kundengruppen sowie ganz strikt nach Netzbetreiber sortiert dargestellt werden. Daneben lassen sich aber jederzeit auch andere Sichten generieren, etwa eine Liste der Kunden, die von einer Preisveränderung betroffen sind. Sämtliche Berichte lassen sich in verschiedene Formate exportieren, beispielsweise in PDF, Excel, Powerpoint oder auch in HTML. Damit können die Ergebnisse bequem weiterverarbeitet werden.
Unbundling: direkte Verantwortung für die Unternehmensführung
Mit der Entflechtung von Netz und Vertrieb wird der Umgang mit den Netznutzungsgebühren vollends zu einem zentralen Element der Unternehmensführung – auch in klassischen Stadtwerken, die bislang vor allem an Kunden im "eigenen" Netz liefern. Denn für alle diese Kunden müssen künftig entsprechende Netzentgelte ermittelt, berechnet und bezahlt, aber auch in allen Vorausbetrachtungen berücksichtigt werden. Auch dies lässt sich künftig sicherlich nicht mehr manuell bewältigen. Denn der "eigene" Netzbetreiber ist ja genauso wie ein fremder zu betrachten.
An dieser Stelle ist der ordnungsgemäße Umgang mit den Kosten für Dienstleistungen Dritter, die dieser Netzbetreiber darstellt, von zentraler Bedeutung. Die neu entstehenden Vertriebsgesellschaften müssen deshalb sämtliche Kosten für Netznutzung und/oder Beistellungen zeitnah ermitteln und in Ihrer Bilanzführung berücksichtigen. Zeitnah bedeutet hier, dass die zu erwartenden Kosten berücksichtigt werden müssen, sobald die entsprechenden Lieferverträge mit den Kunden unterschrieben sind. Hier können die Unternehmen nicht warten, bis Vertragsbestätigungen, Abschlagsforderungen oder gar Rechnungen auf dem Tisch liegen. Die Frage nach den zu erwartenden Kosten und damit verbundenen finanziellen Belastungen ist ein elementarer Punkt von der Gewinn- und Verlustrechung bis hin zur Unternehmensbilanz. Damit ist hier auch die Sorgfaltspflicht der
Vorstände und Geschäftsführer direkt berührt. Verluste, wie sie in den vergangenen Jahren in diesem Bereich entstanden sind, können hier und da noch durch Unwägbarkeiten erklärt werden. In der Zukunft wird das kaum noch möglich sein. Denn es stehen inzwischen IT-Werkzeuge zur Verfügung, mit denen die tatsächlichen Zahlen frühzeitig ermittelt werden können.
Der endgültige Abschied vom Papier
Ist der Prozess der automatischen Rechnungsbearbeitung erst einmal etabliert, sind auch alle nötigen Grundlagen für weitergehende Anforderungen gelegt, beispielsweise für die elektronische Archivierung. Da sämtliche Rechnungen automatisch ausgelesen werden und damit elektronisch zur Verfügung stehen, müssen diese Daten nur noch via Schnittstelle an ein entsprechendes Dokumentenmanagementsystem übergeben werden. Der Originalbeleg wurde bereits gescannt und steht damit ebenfalls abrufbereit und revisionssicher im Archivsystem zur Verfügung. Aber auch sonst ist solch ein System flexibel. Schon heute kann beispielsweise selbst unstrukturierter elektronischer Input verarbeitet werden, beispielsweise Rechnungen, die im PDF-Format eingehen. Auch diese Belege werden elektronisch ausgelesen und dann in der beschriebenen Form weiterverarbeitet. Wenn sich künftig elektronische Formate wie etwa das EDIFACT-Format INVOIC für den elektronischen Datenaustausch durchsetzen, muss der Prozess nicht verändert werden. Es ändert sich dann nur die Art des Belegeingangs. Statt über einen Scanner werden die Daten dann direkt ins System eingelesen, alle anderen Schritte bleiben unverändert. Die Umstellung erfolgt fließend, da Beleglesung und elektronische Rechnung nebeneinander existieren. Die Beleglesung erzeugt eine elektronische Rechnung, die eine INVOIC-Nachricht des Papierbeleges darstellt. Zukünftig wird hier nur das bildhafte Dokument im System verschwinden und durch eine Datenanzeige der INVOIC-Nachricht ersetzt.
Autoren: Dirk Heinze, Geschäftsführer AKTIF Technology GmbH, und Uwe Pagel
Kontakt:
AKTIF Technology GmbH, Töpferstr. 9, 01968 Senftenberg,
Tel.: 03573 / 14 88-0 - Fax: 03573 / 14 88-29
Ansprechpartner: Jan Petke (Vertrieb), info@aktif-technology.com