Das Jahr 2004 wird für die Unternehmen der Energiewirtschaft besonders in Deutschland zahlreiche Umwälzungen bringen. Angefangen beim Unbundling über den Start der deutschen Regulierungsbehörde bis hin zu längst fälligen Fortschritten im Bereich des elektronischen Datenverkehrs zwischen den Marktpartnern. Das betrifft nicht nur die Stromversorger, sondern vor allem auch den Gas- und den Wassermarkt. Denn auch diese Energiesparten werden sich dem Druck, der durch das neue Energiewirtschaftsgesetz entsteht, kaum entziehen können. Um die in Kürze gesetzlich festgeschriebenen bzw. von der Regulierungsbehörde festgesetzten Anforderungen umsetzen zu können, sind die Unternehmen mehr als je zuvor auf die richtigen IT-Werkzeuge angewiesen. Bei der Auswahl solcher Werkzeuge gilt es jedoch zu bedenken, dass die Prozesse, die damit unterstützt werden, komplex sind - und in Zukunft noch komplexer werden. "Handbetrieb" mit einfachem Software-Werkzeug reicht da nicht mehr aus.
Angefangen hat die Unterstützung des liberalisierten Energiemarktes als simples Zeitreihenmanagement für die Energiedaten. Eine Funktionalität, die heute als selbstverständlich vorausgesetzt werden muss (auch wenn die Zählwerterfassung und der automatische Abruf dieser Werte oft auch noch ausbaufähig sind). Denn das Energiedatenmanagement ist inzwischen "nur" noch eine Kernfunktion, um die herum eine Vielzahl weiterer logistischer Prozesse ablaufen. Diese reichen von der Verarbeitung der Verbrauchsdaten und der korrekten Weiterleitung an die richtigen Marktpartner, über die Prognose bis zum Portfolio- und Beschaffungsmanagement, ja sogar bis in Bereiche Abrechnung und Rechnungswesen. Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Begrifflichkeit gewandelt: das Energiedatenmanagement hat sich zur Energielogistik weiterentwickelt.
Aber nicht nur die Prozesse im Unternehmen, auch die vielfältigen datentechnischen Vernetzungen der Marktpartner untereinander sowie mit ihren internen und externen Dienstleistungspartnern müssen längst unternehmensübergreifend und im Sinne des e-Business abgebildet werden. Durch diese Vernetzung der Geschäftsprozesse zwischen den Marktpartnern wird künftig eine gemeinsame Plattform für eine durchgängige Automatisierung der Geschäftsprozesse unverzichtbar. So entwickelt sich derzeit eine "marktweite IT-Infrastruktur”. Die "privaten” IT-Systeme werden dabei Teil eines größeren Ganzen – der "Energielogistik” (siehe Abbildung). Wie im Internet tragen alle zusammengeschalteten Systeme gemeinsam zur Funktionalität und zur Mächtigkeit dieser Energielogistik als IT-Infrastruktur für den Energiemarkt bei, von der alle Beteiligten künftig profitieren.
Die absolute Voraussetzung für das Funktionieren einer solchen Infrastruktur ist die standardisierte Abwicklung der Kommunikation. Denn nur so können die Prozesse weitgehend automatisiert ablaufen. Dieses Ziel hat sich die EDNA-Initiative auf die Fahnen geschrieben, in der sich rund 50 Unternehmen zusammengefunden haben, darunter Softwarehersteller, Unternehmensberater und IT-Dienstleister, aber auch Anwender.
Eigentlich sollte der Datenaustausch längst ausnahmslos elektronisch erfolgen. Darin und in der Verwendung einheitlicher, möglichst weltweit genormter und für den Energiemarkt geeigneter Formate steckt ohne Zweifel eines der größten Potenziale für höhere Wirtschaftlichkeit. Doch die Realität sieht anders aus: Immer noch werden Daten in Papierform transportiert, vom Papier oder Bildschirm abgelesen und wieder in IT-Systeme eingegeben. Selbst elektronisch eingegangene Daten werden von Personen kontrolliert und oft genug nach telefonischer Klärung manuell korrigiert. Sogar über Webservices eingegebene Daten werden zum Teil ausgedruckt, dann in herkömmlicher Form transportiert und weiterverarbeitet. All dies ist extremer Zeit- und Effizienzverlust und zudem die Quelle von Fehlern sowie zahlreichen Ärgernissen. Oft sind die Marktpartner im Energiemarkt schon froh, wenn die Daten bei ihnen als E-Mail und damit elektronisch eingehen und sie selbst, auch mittels E-Mails, Daten versenden können. E-Mails sind zwar billiger als Papiertransport, in aller Regel schneller und sogar automatisch verarbeitbar. Aber die Datensicherheit bleibt dabei gegenwärtig gänzlich auf der Strecke. Erst ein marktweiter Vertrauensraum durch die Umsetzung von PKI-Maßnahmen (Public Key Infrastructure) und dabei die Verwendung qualifizierter digitaler Signaturen bringt die unerlässliche Datensicherheit, die Verbindlichkeit elektronisch übermittelter Daten (z.B. auch von Rechnungsdaten) und garantiert zudem den gesetzlich vorgeschriebenen Datenschutz.
Die Fähigkeit eines IT-Systems zur einwandfreien elektronischen Kommunikation ist ein entscheidender Punkt bei dessen Beurteilung von Tauglichkeit und Qualität. Das war für die EDNA-Initiative der Anlass, das EDNA-Qualitätssiegel zu kreieren. Diese Auszeichnung steht für geprüfte Datenkommunikation. Dabei muss keineswegs nur das Format beim Datenaustausch in Ordnung sein. Vielmehr kommt es darauf an, dass das geprüfte IT-System einwandfrei die "Unterhaltung” mit anderen IT-Systemen meistert. Die Kommunikation muss gemäß der im Markt einzunehmenden Rolle voll beherrscht werden. Deswegen wird bei der Zertifizierung einer Softwarelösung mit Hilfe der EDNA-Testmaschine geprüft, ob das IT-System die entsprechenden Marktrollen im jeweiligen Geschäftsprozess korrekt abbildet und nicht nur, ob die Formate für den Datenaustausch richtig aufgebaut sind. Erst wenn sämtliche Schritte im Kommunikationsprozess fehlerfrei durchlaufen wurden, wird das Qualitätssiegel verliehen. Die EDNA-Testmaschine kann deshalb wie eine Art "Kommunikations-Urmeter” des Energiemarkts angesehen und als Referenz für die Energiemarktkommunikation genutzt werden. Bei einem neuen oder geänderten IT-System bietet das EDNA-Qualitätssiegel die Gewähr, dass dieses System nur noch in die Energielogistik als Teil der marktweiten Infrastruktur "eingesteckt” werden muss. Bei diesem allerletzten Schritt sind Spezifika wie zum Beispiel E-Mail-Adressen oder Identifikationscodes abschließend zu prüfen, um daraufhin sichere Partnerbeziehungen zwischen den IT-Systemen zu erhalten.
Autoren: Dr.Franz Hein, Koordinator der EDNA-Initiative, und Uwe Pagel, exklusiv für das Kompendium IT goes ENERGY - Supplement zur DVGW energie|wasser-praxis (ewp)