Mit dem Aufbau von "Shared Services" versuchen derzeit vor allem die kleineren Stadtwerke das Unbundling auf möglichst wirtschaftliche Weise umzusetzen. Das Ziel: mit einer neuen, gemeinsamen Dienstleistungsabteilung sollen die bisherigen Synergieeffekte so weit als möglich erhalten werden, ohne dass dabei die Vorgaben für das informatorische Unbundling verletzt werden. Ganz ohne Aufwand lässt sich jedoch auch ein Shared Service-Ansatz nicht umsetzen. Das zeigt das Beispiel der Stadtwerke Burscheid, die ihre neue Unternehmensstruktur mit Unterstützung der Berater der VISOS GmbH, Ulm, eingeführt haben.
7.000 Zähler beim Gas, knapp 5.000 beim Wasser, dazu kommen Wärme und das städtische Bad – die Stadtwerke Burscheid sind ein typischer Vertreter des klassischen kleinen Stadtwerks. Das galt bis vor kurzem auch für die Unternehmensorganisation: Der technische Bereich auf der einen Seite und der kaufmännische auf der anderen, dazwischen das Burscheider Bad. Die Vertriebsaufgaben waren verteilt. Direkt an die Geschäftsleitung angebunden war der Vertrieb für die Sonderkunden, Vertriebsaufgaben wurden aber gleichzeitig auch im kaufmännischen oder im technischen Bereich wahrgenommen. Die dazugehörigen Abläufe waren zwar jedem Mitarbeiter bekannt, aber nicht dokumentiert. "Es war uns klar, dass wir mit dieser Struktur und ohne schriftliche Dokumentation den Anforderungen des Energiewirtschaftsgesetzes nicht entsprechen können. Deswegen haben wir Anfang 2005 begonnen, uns ganz konkret auf die Umsetzung des Unbundlings vorzubereiten", so Christian Meuthen, als Prokurist verantwortlich für die kaufmännische Geschäftsführung. Dabei sollte die Umsetzung nicht in Eigenregie erfolgen, sondern mit externer Unterstützung. Die Entscheidung fiel für die VISOS aus Ulm. "Wir wollten einen Partner, der uns auf der einen Seite organisatorisch und bei der Prozessgestaltung beraten kann, auf der anderen Seite aber auch bei der IT-technischen Umsetzung. VISOS konnte hier beides bieten, da sich das Unternehmen auch bestens mit der von uns eingesetzten Branchenlösung Schleupen.CS auskennt", so Thomas Treutlein, verantwortlich für die Vertragsabrechnung und die Datenverarbeitung der Stadtwerke Burscheid.
Das Shared Service-Modell war für die Stadtwerke Burscheid von Beginn an die präferierte Lösung. Denn als kleines Untenehmen mit knapp 60 Mitarbeitern schied die Option, gleiche Funktionalitäten doppelt für Netz und Vertrieb abzubilden, von vornherein aus. Bevor es an die organisatorischen Fragen ging, galt es jedoch erst einmal die Hausaufgaben zu machen. Die erste Aufgabe für die externen Berater der VISOS GmbH bestand deswegen im Aufbau einer "Dienstanweisung zur Sicherstellung des informatorischen Unbundlings", wie sie zum Start des neuen Energiewirtschaftsgesetzes am 1. Juli 2005 notwendig wurde. Im Rückblick war dies sicher nur eine "Aufwärmübung" – aber eine, die durchaus Sinn machte. "Im Rahmen der ersten Sitzungen wurde deutlich, dass die Chemie zwischen externen und internen Projektmitarbeitern stimmte. Und das ist aus meiner Sicht auch einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für das Gelingen des gesamten Projekts", so Thomas Treutlein. Gleichzeitig wurden die Mitarbeiter auf ein methodisches Vorgehen eingestimmt, eine wesentliche Voraussetzung für die weiteren Projektschritte.
Im Rahmen einer Prozessanalyse galt es dabei zunächst, das Wissen um die Abläufe, das bislang nur in den Köpfen der Mitarbeiter abgespeichert war, auf Papier bzw. in elektronische Form zu bringen. Erleichtert wurde dies über vorformatierte Standardprozesse, die die Berater der VISOS auf Excel-Basis vorbereitet hatten. Dennoch war der Abgleich nicht einfach. Denn es mussten nicht nur die unbundlingkritischen Abläufe sauber abgegrenzt werden. Zu jedem Prozess galt es auch, die jeweils Verantwortlichen und Ausführenden eindeutig zuzuordnen. "Das bedeutete nicht nur, dass wir uns durch zahlreiche Excel-Seiten kämpfen mussten. Wir waren auch gezwungen, uns mit Prozessen zu beschäftigen, die es, solange ein Wechsel des Gaslieferanten noch nicht möglich ist, in der Realität noch gar nicht gibt", so Treutlein. Prozesse also, die erst starten, wenn der erste Kunde anklopft, der über einen "fremden" Lieferanten versorgt wird oder der aus einem anderen Netzgebiet kommt. Aufgrund der fehlenden Marktregeln beim Gas beschränkten sich die Stadtwerke Burscheid deswegen zunächst auch auf die Dokumentation der Geschäftsprozesse. An die Optimierung geht es, sobald die Möglichkeit eines Lieferantewechsels besteht.
Auf Basis der Prozessanalyse wurde anschließend das Unternehmen umstrukturiert und "unbundlinggerecht" organisiert. Neu geschaffen wurde dabei der Bereich "Energievertrieb", der nun komplett aus dem kaufmännischen Bereich herausgelöst und bei der Geschäftsleitung aufgehängt wurde. Parallel dazu wurden die Vertriebsaufgaben für den Netzbereich, die vorher im Rahmen der Energieberatung übergreifend wahrgenommen worden waren, dem technischen Bereich zugeschlagen und werden nun vornehmlich im Hausanschlusswesen abgewickelt. Auf diese Weise konnte der bisherige kaufmännische Bereich komplett als "Shared Service"-Abteilung umgestaltet werden. Allerdings nicht ganz ohne Synergieverluste. "Durch den Aufbau des neuen Energievertriebs waren wir gezwungen, eine neue Stelle zu schaffen, da viele Vertriebsaufgaben, die zuvor im kaufmännischen Bereich quasi mit erledigt worden waren, ausgegliedert werden mussten", beschreibt Thomas Treutlein die Folgen. Zudem mussten sich auch die Mitarbeiter selbst umstellen. "Wie in vielen Stadtwerken, ist auch bei uns der ‚multifunktionale Mitarbeiter’ üblich. Durch das Unbundling waren wir gezwungen, diese Funktionen mit Unterstützung der VISOS unbundlinggerecht zu sortieren und neu zu verteilen. Auch hier haben wir sicherlich Synergien verloren", so Treutlein weiter. Dennoch wurde das Unbundling konsequent umgesetzt, auch räumlich. Eine ohnehin geplante Umbaumaßnahme wurde so ausgeführt, dass Energievertrieb und Shared Services heute klar begrenzte Arbeitsplätze haben, die so strukturiert wurden, dass der eine Kollege dem anderen nicht auf den Schreibtisch sehen kann – auch nicht zufällig. "Natürlich hat das in einem so kleinen Unternehmen wie dem unseren Grenzen. Denn man kann ja nicht verhindern, dass sich die Menschen unterhalten. Aber dennoch haben wir die Vorgaben des EnWG erfüllt", beschreibt Christian Meuthen das Ergebnis.
Sowohl die Finanzbuchhaltung als auch die Verbrauchsabrechnung laufen seitdem sauber getrennt nach Netz und Vertrieb. Die Umsetzung erfolgte dabei zunächst auf Basis des Ein-Vertragsmodells, wobei das nicht das letzte Wort sein muss. "Wir gehen davon aus, dass das Einvertragsmodell unbundlingkonform ist. Wenn die Bundesnetzagentur das anders sieht, können wir jederzeit auf ein Zwei-Vertrags- oder Zwei-Mandantenmodell wechseln. Mit Schleupen.CS ist das problemlos möglich", so Thomas Treutlein. Als Shared Service wickelt er jetzt nicht nur die Abrechnung für Netz und Vertrieb ab. Auch die Buchhaltung wurde entsprechend umgebaut. Jeder Buchungssatz wird nun sauber nach Bereich getrennt gebucht, und auch die Auswertungen werden spartenabhängig organisiert. Daneben ist der Shared Service verantwortlich für die gesamte Datenverarbeitung. Zudem bereitet er die Daten für das Regulierungsmanagement auf und liefert diese an Christian Meuthen, der für die Kommunikation mit den Regulierungsbehörden verantwortlich zeichnet. "Auch hier haben wir die Verantwortlichkeiten klar und unbundlinggerecht zugeordnet. Das bedeutet, dass ich als Person keine Berührung mehr zum Energievertrieb habe und mich in erster Linie um das strategische Regulierungsmanagement kümmere", beschreibt Christian Meuthen die neue Struktur.
Der Aufwand für die gesamte Umstrukturierung war nicht unerheblich, obwohl die Zusammenarbeit zwischen den externen VISOS-Beratern und den internen Mitarbeitern weitgehend reibungslos und sehr konstruktiv verlief. "Bislang hat uns das Unbundling rund 50 Manntage – intern wie extern – gekostet. Das mag für einen großen Versorger eher zu vernachlässigen sein. Für ein Unternehmen wie das unsere fällt das aber durchaus ins Gewicht", so Thomas Treutlein.
Trotzdem hält er die Umsetzung des Unbundling für einen wichtigen Schritt, um auch künftig auf dem Energiemarkt mitspielen zu können. Denn nicht zuletzt mit Hilfe der neu geschaffenen "Service-Einheit" bereiten sich die Stadtwerke Burscheid jetzt intensiv auf die Öffnung des Gasmarktes vor. Dabei sehen sie sich durchaus als konkurrenzfähig. Bei den Preisen liegen sie auch im überregionalen Vergleich regelmäßig im Bereich der günstigen Anbieter, und als kleines Unternehmens wollen sie hier künftig auch ihre Flexibilität ausspielen. Das Problem sind allerdings die fehlenden Marktregeln. "Als Schleupen-Pilotanwender für die Energielogistik auf dem Gasmarkt könnten wir jetzt ganz vorne mit dabei sein und die Vorteile, die durch eine Automatisierung vieler Prozesse in der Energielogistik entstehen, voll ausnutzen", beschreibt Thomas Treutlein die derzeitige Lage. Doch so lange die Bundesnetzagentur keine Klarheit schafft, stagniert auch das neue Energielogistik-Projekt. "Wir sind blockiert, weil jede Investition, die wir hier tätigen, eine falsche Investition sein kann. Deswegen ist es auch aus unserer Sicht als Anwender vordringlich, die Marktregeln schnellstmöglich festzuzurren", so Treutlein. Denn mit der neuen Struktur bestünde durchaus die Chance, den Know-how-Vorsprung des eigenen Shared Service in Sachen Energielogistik auch ganz anders zu nutzen. Beispielsweise als Dienstleistung für andere Stadtwerke, womit man dann ganz neue Geschäftsfelder erschließen könnte.
Autor: Uwe Pagel, exklusiv für ew 13/06