IT für Netzbetreiber: Entscheidender Faktor im Wettbewerb
Regulierung führt zu neuen Anforderungen an die Softwaresysteme
Die Energiewirtschaft ist endgültig im regulierten Markt angekommen. Das klassische Rollenbild des "Energieversorgers" löst sich zunehmend auf, und selbst kleinere Unternehmen bereiten sich intensiv auf das Unbundling und den Umgang mit der neuen Regulierungsbehörde vor. Diese Entwicklung hat gleichzeitig durchgreifende Folge für die IT-Strategien der Unternehmen. Denn mit der Entflechtung ändern sich die Anforderungen der neuen Organisationseinheiten an die Software. Entsprechend müssen auch die heute auf dem Markt angebotenen Lösungen weiterentwickelt werden.
Die Impulse kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. So verursachen die Liberalisierung und die Regulierung der Energiemärkte zunächst einmal Druck auf die Betriebskosten der Stromnetze. Das Netz wandelt sich dabei vom reinen Kosten- zum Ertragsfaktor und muss entsprechend bewirtschaftet werden. Damit fällt gleichzeitig die klassische Trennung der Softwarelösungen in "technische" und "kaufmännische" Bereiche weg. Denn nur mit einer integrierten Sicht auf die Netze, vom Controlling über das Auftragsmanagement bis hin zur Instandhaltung, lässt sich künftig ein effizientes "Asset Management" im Netzbereich umsetzen.
Die Entwicklung "Netz-spezifischer" Softwarelösungen wird auch durch die Anforderungen der neuen Regulierungsbehörde vorangetrieben. Denn die wird künftig weitaus mehr Transparenz von den Netzbetreibern fordern, beispielsweise bei der Kalkulation der Netznutzungsentgelte. Um den Informationsbedarf der Regulierungsbehörde bedienen zu können, muss das Unternehmen deswegen mehr und vor allem exaktere Informationen sammeln, als das bisher nötig war. Sei es über die mengenmäßige Nutzung des Netzes oder sei es über die Lasten, die direkt an einzelnen Netzkomponenten oder Netzebenen entstehen. Allein mit globalen Angaben wird sich die Behörde nicht zufrieden geben, sondern regelmäßig detaillierte Berichte anfordern, zum Beispiel über Namen und Anzahl der Zählpunkte mit Netzunterbrechung. Mit den bestehenden Softwarelösungen für das Netzmanagement kommt man hier nicht weit. Denn diese befassen sich bisher häufig nur mit technischen Aspekten, etwa mit der Nachbildung und der Berechnung von Netzen. Entsprechend werden technische Daten über Netzkomponenten wie Transformatoren oder Kabelabschnitte noch nicht durchgängig, fortlaufend und revisionssicher mit kaufmännischen Daten, beispielsweise über Mengen oder Kosten, verknüpft und ausgewertet.
Elektronischer Datenaustausch
Als Marktteilnehmer wird sich die Regulierungsbehörde künftig direkt in die Kommunikationsprozesse des Marktes einbinden. Da die Behörde jedoch mit einer Vielzahl von Unternehmen eine Vielzahl an Informationen austauschen wird, bedeutet das auch, dass kein Unternehmen in der Energiewirtschaft mehr an der Umsetzung des elektronischen Datenaustauschs vorbeikommen wird. Das betonte der zuständige Referent Jörg Meyenborg zuletzt auch auf der Fachkonferenz der EDNA-Initiative, die im Rahmen der E-world im März in Essen stattfand. Die Beherrschung moderner Kommunikationsstandards, wie etwa der EDIFACT-Formate MSCONS für die Zählwerte, UTILMD für die Stammdaten oder ESS für Fahrplanmanagement und –kommunikation, wird damit unabdingbar werden.
Unbundling
Mit der Einführung des neuen EnWG erfährt die Energiewirtschaft eine neue Qualität. Regulierung, Entflechtung und vor allem die Einführung von Verbindlichkeit schaffen neue Handlungsgrundlagen für alle Marktteilnehmer. Das Ziel bei der Umsetzung des EnWG lautet "Mehr Wettbewerb!". Die Maßnahmen zielen auf die Betreiber der Transport- und Verteilnetze. Die haben nach informatorischer bzw. organisatorischer und rechtlicher Entflechtung die Diskriminierungsfreiheit beim Netzzugang für jeden Lieferanten sicherzustellen. Dieses Ziel soll durch geeignete Strukturen und Prozesse erreicht werden. Das hat einschneidende Änderungen für die betroffenen Marktteilnehmer zur Folge.
Divergierende Geschäftsmodelle
Ab dem Moment der Entflechtung (Ausgründung) beginnt die Netzgesellschaft ein organisatorisches und funktionelles Eigenleben. Damit entfernt sie sich aber auch zunehmend von der Muttergesellschaft oder der ebenfalls neu entstandenen Lieferantengesellschaft. Für diese Auseinanderentwicklung sorgen nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen, der Kostendruck und Margenverlust aus Regulierungsvorgaben, sondern auch die durch den zunehmenden Wettbewerb ausgelösten Technologiesprünge (z.B. EHZ, Large Scale AMR usw.). Die Geschäftsprozesse müssen deswegen dem neuen Geschäftsmodell angepasst werden. Zeitgleich gilt es, die Kosten durch Rationalisierung und Verbesserung der Wertschöpfung zu senken. Damit ändern sich nicht nur die Anforderungen an die IT. Auch die potenziellen Synergieeffekte durch die gemeinsame Nutzung von IT-Lösungen mit der Vertriebsorganisation nehmen ab. Denn sie werden sich zukünftig nur noch auf wenige deckungsgleiche, also geschäftsmodellübergreifende Funktionsfelder beschränken.
IT-Lösungen für Netzbetreiber
Neben den oben beschrieben Anforderungen an die Informationstechnologie aus Sicht des Regulierungsmanagements stehen bei den künftigen IT-Lösungen für Netzbetreiber zwei weitere Bereiche im Fokus: Das Netznutzungsmanagement und das Asset Management. Das Netznutzungsmanagement umfasst dabei alle Prozesse, die durch Nutzung der Übertragungs- bzw. Verteilungsnetze entstehen. Die Prozesse der Netznutzung werden durch IT-Lösungen wie Vertragsmanagement und –abrechnung, Netzzugangsmanagement (für den Kunden-/Lieferantenwechsel) sowie ZFA- und Energielogistiklösungen für die Erfassung und Verarbeitung von Zählwerten und Lastgängen unterstützt.
Wesentlich für ein effizientes Asset Management, also für eine optimale Bewirtschaftung der Netze und Anlagen, ist eine enge Integration der Prozesse zwischen kaufmännischem und technischem Bereich des Netzbetreibers. Zwei Ziele stehen dabei besonders im Vordergrund: Einerseits die optimale Gestaltung der Abläufe und ihre Automatisierung, wo immer das möglich ist. Andererseits eine transparente Sicht auf alle wesentlichen Informationen, insbesondere auf die Kosten. Um beides sicherzustellen, ist es nötig, eine Schnittstellenfunktion zu schaffen, etwa durch die Einführung eines zentralen Auftragsmanagements. Hier werden alle auftragsrelevanten Vorgänge zusammengeführt, von der Angebotserstellung über die Auftragsanlage bis hin zur Fakturierung. Gleichzeitig übernimmt das Auftragsmanagement auch die Steuerung der kaufmännischen Seite der Instandhaltung und ist damit eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente für einen wirtschaftlichen Netzbetrieb.
Kosten der IT-Lösungen
Mit Inkrafttreten des EnWG werden die neu gegründeten Netzbetreiber im Rahmen ihrer IT-Strategie Entscheidungen über ihre spezifische Softwareausstattung treffen müssen. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass viele Netzbetreiber in bisher noch nicht regulierten Märkten wie der Wasser- und Abwasserwirtschaft, Fernwärmeversorgung oder anderen Multi-Utility-Bereichen, zusätzliche Geschäftsfelder übernommen haben. Diese müssen ebenfalls in zukünftige IT-Lösungen mit einbezogen werden. In beiden Fällen bieten integrierte Branchenpakete, wie etwa Schleupen.CS, umfassende und gleichzeitig in Einführung und Betrieb preiswerte IT-Lösungen für Netzbetreiber in regulierten Märkten – sofern Sie entsprechend "netzspezifisch" ausgebaut werden.
Autor: Jörg Nedermann, Vertriebsleitung Schleupen AG/Uwe Pagel - exklusiv für ZfK 06/05