Wie andere ostdeutsche Stadtwerke leidet
auch die Energieversorgung Gera im eigenen
Versorgungsgebiet unter Strukturproblemen.
Das produzierende Gewerbe ist gleich nach
der Wende weggebrochen – und damit auch
die meisten der Großkunden. Auch die Zahl
der Haushaltskunden nimmt kontinuierlich
ab, denn der Trend zur Abwanderung geht
weiter. Mit rund 92.000 Zählern bei Gas und
Strom sowie rund 1.000 Abnahmestellen für
Fernwärme gelang es dennoch, die Stellung
zu halten. Eine Expansion war auf dieser
Basis jedoch nicht möglich, zumal mit dem
eigenen Heizkraftwerk ein Kostenblock
existiert, der ein aggressives Marketing allein
über den Preis unmöglich macht. Mit einer
offensiven Strategie will die EGG diese
Nachteile nun wettmachen. Dazu gehört die
Entwicklung neuer Dienstleistungen und
Services ebenso, wie die Überwindung der
Stadtgrenzen mit Hilfe des neuen Partners
Electrabel, um auch regional und
überregional neue Kundenkreise zu
erschließen. Gleichzeitig wachsen damit aber
auch die Anforderungen an die EDV. Denn
hier reicht es nicht nur, die Strukturen des
liberalisierten Energiemarktes funktional
abzubilden. Die eingesetzten Lösungen
müssen flexibel an die sich immer noch
wandelnden Anforderungen angepasst
werden können und offen für die
Kommunikation mit anderen Lösungen sein -
sowohl für die eigenen, im Hause
eingesetzten Lösungen, als auch für die
Kommunikation mit den anderen
Marktteilnehmern, vor allem auch mit Partnern
wie der Electrabel. Nur so kann auch ein
effizientes Kundenmanagement in Marketing
und Vertrieb umgesetzt werden. Ob es nun
um die Entwicklung neuer Produktideen geht
oder um die effiziente Gestaltung der
alltäglichen Kundenkommunikation.
Mit alter Lösung an die Grenzen gestoßen
Mit der bisher eingesetzten Schleupen-Basic-
Lösung, die kurz nach der Wende in den
neuformierten Stadtwerken Gera eingeführt
worden war, war die EGG längst an ihre
Grenzen gestoßen. Denn das alte System, in
dem die Abnahmestelle im Mittelpunkt stand
und nicht der Kunde, konnte die neuen
Vertragsbeziehungen längst nicht mehr
realitätsgerecht darstellen. Schon die
althergebrachte Trennung in Sonder- und
Tarifkunden führte zunehmend zu Problemen,
wenn es darum ging, einen Kunden
ganzheitlich zu sehen, mit allen Anschlüssen
und Verträgen. Wenn dieser Kunde sowohl
als Sonder- wie als Tarifkunde geführt wurde,
mussten die Informationen mühsam aus zwei
getrennten Mandanten zusammengeführt
werden. Auch die wachsende Zahl von
individuellen Verträgen bereitete zunehmend
Probleme. Denn für jede individuelle
Vereinbarung musste ein komplett neuer Tarif
angelegt werden.
Intensiver Auswahlprozess
So ging man ab Mitte 2000 an die Auswahl
einer neuen Lösung, mit der die
Energieversorgung Gera im Speziellen aber
auch die Stadtwerke Gera insgesamt fit für die
Zukunft gemacht werden sollten. Die
Vorgaben waren zum einen funktional, zum
anderen wurde auch die fachliche Kompetenz
des Anbieters gewertet, und vor allem auch
die zur Verfügung stehenden Ressourcen.
"Es nutzt nichts, wenn eine Lösung funktional
die Anforderungen erfüllt, man aber
gleichzeitig Projektlaufzeiten von einem Jahr
oder länger hat, um diese Lösung
einzuführen", so Bernd Sedlmeier,
verantwortlich für den Energievertrieb der EGG
und in Personalunion auch für die gesamte
Datenverarbeitung der Stadtwerke Gera.
Schließlich galt es schnell zu handeln, wenn
man nicht den Anschluss im liberalisierten
Markt verlieren wollte. Vier Systeme kamen
schließlich in die Endauswahl und wurden
auf Herz und Nieren geprüft. Übrig blieb am
Ende das neue Schleupen.CS, das als
einziges sämtliche Anforderungen erfüllte –
sowohl funktional wie auch was die Vorgaben
für die Einführung anging, denn die Lösung
musste bis zum November 2001 laufen, zum
Jahreswechsel wollte man in Gera in jedem
Falle in Euro abrechnen.
So gründlich man bei der Produktauswahl
vorgegangen war – neben ausführlichen
Workshops mit den Anbietern hatte man auch
auf Referenzbesuche nicht verzichtet – so
schnell musste es nach der Entscheidung
gehen. Vertragsabschluss im Juni, erste
Projektbesprechungen im Juli, dann ging es
sofort in die Umsetzung. Und die war nicht
trivial. So mussten etwa die bislang
getrennten Mandanten für Sonder- und
Tarifkunden in einen Mandanten
zusammengeführt werden. Gleichzeitig galt
es Abschied zu nehmen von der
Abnahmestelle als Dreh- und Angelpunkt, und
dafür den Kunden mit all seinen Verträgen in
den Vordergrund zu rücken. Nicht nur aus
Sicht der Daten bedeutete das eine
Reorganisation, vor allem auch in den Köpfen
der Mitarbeiter war das wohl die
einschneidenste Änderungen. Dass man
gleichzeitig auch noch die komplette IT-
Infrastruktur austauschen musste – aus der
alten Sequent-Welt ging es zu einer
Architektur mit einem zentralen IBM-Server
unter AIX und mit einer Informix-Datenbank
sowie Windows NT-Clients – geriet so fast zur
Nebensache.
Bis November sollte das Herzstück des
neuen Systems, die Vertragsabrechnung,
laufen. Am Ende war man exakt zwei Wochen
schneller als geplant. Am 15. Oktober 2001
wurde das neue Schleupen.CS-System
scharf geschaltet, die Ablösung des alten
Systems war damit vollzogen. Und schon in
der folgenden Woche wurden mit dem neuen
System die Septemberrechnungen an die
rund 320 Sondervertragskunden verschickt
und nur eine Woche später die ersten
Jahresrechnungen für besondere Bereiche
wie Baustrom oder Gartenabrechnungen.
Technologische Basis für offensive Strategie
Mit der erfolgreichen Einführung von
Schleupen.CS steht für Bernd Sedlmeier jetzt
das Fundament für die gesamte weitere
Entwicklung. Ob es sich um die Integration
des Navision-Rechnungswesens der
Stadtwerke handelt, um die Anbindung des
Energiedatenmanagements oder die künftige
Automatisierung von Geschäftsprozessen mit
dem Partner Electrabel - was früher
aufwendige Projekte bedeutet hätte und ohne
fremde Hilfe kaum zu bewältigen gewesen
wäre, lässt sich heute vielfach in Eigenregie
realisieren. "In vielen Bereichen können wir
heute sogar die Oberfläche unseren
individuellen Anforderungen anpassen, was
früher, wenn überhaupt, nur mit fremder
Unterstützung möglich war", so Sedlmeier.
Diese Flexibilität ist für ihn eine ganz
wesentliche Voraussetzung für die weitere
Entwicklung der Energieversorgung Gera.
"Wir werden in Zukunft ganz anders mit dem
Kunden kommunizieren, und auch nicht mehr
nur Strom, Gas und Wärme liefern. Auch
Dienstleistungen werden als ‚Produkt’
angeboten und abgerechnet. Herkömmliche
Dienstleistungen, etwa aus klassischen
Stadtwerkgeschäften wie dem Nahverkehr,
aber auch neue Dienstleistungen, die wir
bisher noch nicht einmal definiert haben." All
diese Entwicklungen müssen künftig mit den
vorhandenen Werkzeugen bewältigt werden.
Die Schleupen.CS Module
Vertragsabrechnung und Customer Relations
spielen für ihn deswegen auch eine zentrale
Rolle für die zukünftige Entwicklung der EGG.
"Offenheit ist die Grundvoraussetzung, um in
einem Markt wie dem Energiemarkt auf Dauer
erfolgreich zu sein. Diese Offenheit muss
aber auch durch die eingesetzte Technologie
unterstützt werden, sonst findet man sich
schnell in einer Sackgasse wieder."
Nachdem das technologische Fundament
gelegt wurde, sieht auch Vorstand Bernd
Petzold optimistisch in die Zukunft. "Mit einem
Partner wie der Electrabel bleibt die
Eigenständigkeit und die lokale
Verantwortung der EGG sichergestellt."
Gleichzeitig habe man mit der Electrabel
einen starken Partner, der auf die
Ressourcen eines weltweit agierenden
Energiekonzerns zurückgreifen könne. Damit
steht jetzt auch das strategische Fundament,
um die Standortnachteile nicht nur
wettzumachen, sondern die künftige
Entwicklung offensiv anzugehen.