Nicht einfach nur GIS: Geodaten sind Grundlage für die effiziente Unternehmensführung
Energieversorgung Gera nutzt GIS auch für Regulierungsmanagement und Unbundling
Geoinformationssysteme (GIS) werden bislang von den meisten Energieversorgern nur in einzelnen Unternehmensbereichen eingesetzt. Dabei werden Geoinformationen überall im Unternehmen benötigt, sei es um Prozesse optimal gestalten zu können, sei es als Entscheidungsgrundlage für die strategische Unternehmensführung. Die Energieversorgung Gera GmbH (EGG) hat deswegen mit Unterstützung der Schleupen AG damit begonnen, den Nutzen von Geoinformationen für das gesamte Unternehmen zu erschließen.
Circa 1.900 Kilometer Strom- und Kabelnetz, circa 326 Kilometer Gas- und circa 270 Kilometer Fernwärmeleitungen gehören zum Netzgebiet der Energieversorgung Gera. Circa! Denn so ganz genau war dies bislang nicht feststellbar, da sämtliche Informationen zu den Netzen bislang in ganz unterschiedlicher Form vorlagen. Ein Teil bereits elektronisch als CAD-Datei, ein anderer Teil in analoger Form, ganz klassisch auf Karten aus Papier. "Auslöser für das aktuelle GIS-Projekt war der Umstand, dass wir nicht in der Lage waren, unser Anlagevermögen – das ja zu einem großen Teil in den Netzen steckt – genau zu bewerten. Denn der Aufwand, diese Information aus den vorhandenen Quellen herauszufiltern, wäre immens gewesen", beschreibt Steffen Augenstein, bei der EGG verantwortlich für den Gasbereich, die ursprüngliche Problemstellung. Als man sich dann intensiv mit dem Thema auseinandersetzte, wurde schnell klar, dass es nicht damit getan ist, die vorhanden Daten auf einer einheitlichen Basis zu digitalisieren. "Allein schon vor dem Hintergrund der kommenden Regulierung ist es nötig, eine transparente Sicht auf das Netz zu haben. Und das nicht nur in der Instandhaltung. Das Geoinformationssystem muss deswegen integriert mit zahlreichen anderen Systemen zusammenarbeiten, damit diese Transparenz durchgängig gegeben ist", beschreibt Steffen Augenstein den Projektansatz. Gleichzeitig sollten aber durch diese Integration auch zahlreiche Abläufe im Unternehmen deutlich effizienter gestaltet werden als bisher.
Schon bei der Systemauswahl spielte deswegen der Integrationsaspekt eine gewichtige Rolle. Nicht nur zu klassischen technischen Anwendungen wie der Betriebsmittelverwaltung. "Hinter jedem Netzteil, hinter jedem Hausanschluss stecken Kunden. Die Geoinformationen müssen deswegen beispielsweise auch mit dem Abrechnungssystem verknüpft werden, nur so ist die Kundensicht komplett", verdeutlicht Steffen Augenstein den Ansatz der EGG. Nach einer intensiver Auswahlphase, in der alle wichtigen GIS-Anbieter mit einem ausführlichen Pflichtenheft unter die Lupe genommen worden waren, entschied man sich schließlich für die GIS-Lösung GRIPS und die Schleupen AG als Partner für die Einführung. Ausschlaggebend war nicht zuletzt, dass in Gera schon seit längerem das Branchenpaket Schleupen.CS im Einsatz ist, und das Schleupen für die Anbindung von GRIPS mit dem Modul GISLink zahlreiche Integrationsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Aufwändige Schnittstellenprogrammierungen fallen damit von vornherein weg.
Das gilt auch für andere Systeme, wie etwa das für die Netzberechnung und das Transportmanagement im Gasbereich. Hier stehen die GIS-Informationen künftig direkt zur Verfügung und können so direkt für die Simulation oder die Kalkulation der Netznutzungsentgelte herangezogen werden. "Egal ob im Gas- oder im Strombereich, die neue Regulierungsbehörde wird künftig von den Netzbetreibern transparente und nachvollziehbare Informationen verlangen. Insofern ist die GIS-Integration eine zentrale Voraussetzung für ein effizientes Regulierungsmanagement, ohne das in Zukunft sicherlich kein Netzbetreiber mehr auskommen wird", so Steffen Augenstein. Aber auch bei der absehbaren Diskussion um die Frage, wie viele Investitionen in die Instandhaltung und den Ausbau der Netze notwendig sind, um die Versorgungssicherheit garantieren zu können, ist ein integriertes GIS-System künftig unverzichtbar. "Wir gehen davon aus, dass sich die Regulierungsbehörde intensiv mit solchen Fragestellungen beschäftigen wird. Eine integrierte und transparente Sicht auf alle Informationen kann da im Dialog mit dem Regulator wertvolle Argumente liefern", betont Augenstein.
Daneben will man in Gera künftig viele Abläufe im Unternehmen mit Hilfe der Geoinformationen deutlich optimieren. "Wenn in der Vergangenheit Planer oder Bauunternehmen nach Informationen zu verlegten Leitungen gefragt haben, musste der zuständige Sachbearbeiter diese mühsam in Aktenschränken suchen, kopieren und versenden. Künftig stehen diese Informationen auf Knopfdruck zur Verfügung, können sofort ausgedruckt und dem Fragesteller mitgegeben werden", beschreibt Steffen Augenstein die positiven Auswirkungen auf einen der Kernprozesse im Kundendialog. In einem weiteren Ausbauschritt sollen diese Informationen dann auch direkt via Internet abgerufen werden können, so dass der Kundendialog dann auch komplett elektronisch abgewickelt werden kann, ohne dass ein Sachbearbeiter eingreifen muss.
Mit derartig positiven Effekten rechnet Augenstein auch bei zahlreichen weiteren Geschäftsprozessen. Beispielsweise bei der Instandhaltung oder beim Störungsdienst. Hier sind die Mitarbeiter künftig über eine mobile Anbindung via Notebook über alle Gegebenheiten vor Ort im Bilde. Auch beim Hausanschlussmanagement oder bei der Netzplanung wird das Geoinformationssystem wertvolle Hilfe leisten. "Heute steckt das Wissen über viele Dinge nur in den Köpfen erfahrener Mitarbeiter. Die wissen beispielsweise genau, wo Druckprobleme entstehen können, wenn man das Leitungsnetz in eine bestimmte Richtung verlängert", so Augenstein.
Auch beim Risikomanagement sorgt das GIS für Transparenz, da über die Integration in die Verbrauchsabrechnung sofort deutlich wird, welche Auswirkungen beispielsweise der Ausfall einer einzelnen Trafo-Station hat. Das gilt in gleichem Maße für die Planung von Abschaltungen. "Hier sehen wir sofort, wer wann und in welchem Maße betroffen ist und können diese Kunden frühzeitig und umfassend informieren, indem wir auch gleich noch den entsprechenden Serienbrief generieren."
Besonders profitieren wird der Vertrieb von der GIS-Integration. Das gilt insbesondere für den Netzvertrieb, der im unbundelten Unternehmen künftig eine ganz neue Rolle einnehmen wird und mit Hilfe der Geoinformationen wesentlich effektiver sein kann, als das bislang der Fall ist. Aber auch für den Energievertrieb ergeben sich neue Möglichkeiten. "Wir müssen darauf achten, dass wir die Informationen diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen. Es ist aber sicherlich eine deutliche Erleichterung für die Vertriebsarbeit, wenn allgemein verfügbare Informationen, etwa zu Hausanschlüssen oder Neubaugebieten, auch elektronisch abgerufen werden können und nicht mühsam recherchiert werden müssen", so Augenstein. Für ihn ist das laufende GIS-Projekt nicht nur deswegen eines der ganz zentralen Projekte für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens. "Egal in welchen Bereich wir schauen, überall wird deutlich, dass die Integration der Geoinformationen in die Geschäftsprozesse entscheidende Auswirkungen auf die Effizienz hat. Und sie liefern gleichzeitig eine wesentliche Informationsbasis für die strategische Unternehmensführung. Insofern zahlt sich ein ganzheitliches Herangehen an das Thema GIS für uns in jedem Falle aus."
Autor: Uwe Pagel, exklusiv für Energie Spektrum 03/05