Ohne Regulierungsmanagement geht es künftig nicht
Die Auswirkungen auf die Organisation und Informationsverarbeitung
Die Einsetzung einer Regulierungsbehörde als wesentliche Neuerung des kommenden EnWG bringt eine Fülle neuer Aufgaben für die Energiewirtschaft mit sich. Diese werden im Regulierungsmanagement, der Schnittstelle aller betroffenen Organisationseinheiten eines regulierten Unternehmens zur Regulierungsbehörde, gebündelt. Dabei stellt vor allem die konsistente und zeitnahe Erfüllung der Berichtspflichten eines Netzbetreibers gegenüber der Regulierungsbehörde neue, auf jeden Fall höhere Anforderungen an seine Organisation und Informationsverarbeitung als in bisherigen Berichtsfällen.
Das Regulierungsmanagement ist als organisatorische Instanz in regulierten Märkten seit langem bekannt. In der Telekommunikationsbranche gehört Regulierungsmanagement seit der Installation der RegTP zum gebräuchlichen Mittel, um den Anforderungen an das regulierte Unternehmen zu begegnen. Allerdings muss auch diese Branche fast zehn Jahre nach Regulierung in vielen Fällen mit dem Regulierer noch Entscheidungen vor Gericht ausfechten. Auch in bereits entwickelten Märkten wird die Regulierungsbehörde dabei durchaus als Marktteilnehmer verstanden. Der freundlichere Begriff "Marktpartner" wird allerdings eher selten benutzt, sieht man doch am Beispiel Österreich, wie heftig sich der dortige Regulierer (E-Control GmbH) und die EVUs vor der Schlichtungsstelle oder Gericht bekämpfen können.
Regulierungsmanagement ist der Mittler zwischen Regulierungsbehörde und betroffenen Organisationseinheiten eines regulierten Unternehmens. Der Begriff umfasst somit die ganze Kette von der Erhebung kalkulationsnotwendiger Daten über den Entgeltantrag bis zur Lobbyarbeit mit der RegTP, selbst wenn letzteres sicher zunächst vornehmste Aufgabe der Branchenverbände sein wird. Als so ein Mittler vertritt das Regulierungsmanagement auch die Rechte des Unternehmens gegenüber der RegTP, koordiniert und steuert alle Maßnahmen im Umgang mit der Behörde und sorgt u.a. für die unternehmensinterne Kenntnis und Anwendung der eigenen Rechte und Pflichten. Dabei sind Berührungen mit Gleichstellungsprogrammen ("Compliance") zu erwarten.
Auch Verbände wie VKU und BGW empfehlen ihren Mitgliedern Abteilungen zu gründen, die sich mit dem "Regulierungsproblem" beschäftigen. Regulierungsmanagement kann allerdings nicht in voneinander losgelöste Bereiche unterteilt werden. Zwar handelt es sich um individuelle Themen, die jedoch stark miteinander verzahnt sind. Daher sollte das Regulierungsmanagement als Querschnittsfunktion nahe der Geschäftsführung installiert werden.
Mit dem Regulierungsmanagement sind je nach Unternehmensgröße nur wenige Mitarbeiter ("Regulierungsbeauftragte / Regulierungsmanager") betraut, die sicherstellen, dass alle wesentlichen Informationen unternehmensintern an einer Stelle gebündelt und für eine etwaige Kommunikation nach außen für RegTP, Landesenergieaufsichtsbehörde, Gerichte, Drittlieferanten, Presse etc. aufbereitet werden.
Im Einzelfall des Tagesgeschäfts wird der Regulierungsmanager Fachleute zur Klärung von Fragen und Sachverhalten konsultieren; beispielsweise, ob in juristischen Fragen oder Anforderungen die Hinzuziehung eines externen Rechtsberaters erforderlich ist. Ferner ist die Konsistenz und Aktualität der vom Regulierungsmanager an die Regulierungsbehörde gelieferten Informationen am geeignetesten erst nach Abstimmung mit anderen Fachleuten im Unternehmen oder externen Beratern, einschließlich des mit der Ausfertigung des an die RegTP vorzulegenden Jahresabschlusses betrauten Wirtschafsprüfers sicherzustellen.
In diesem Zusammenhang sei beispielsweise darauf hinzuweisen, dass die Qualität der gelieferten Informationen sanktioniert werden kann. So heißt es in § 31 des Entwurfs der StromNEV, dass die unvollständige Dokumentation und Veröffentlichung von Daten sowie die Abweichung von dem für die Dokumentation vorgeschriebenen Format bußgeldbewehrt sind.
Grundsätzlich sollte sich das Regulierungsmanagement jedoch als "Frühwarnsystem" verstehen und so verhindern, dass die RegTP oder deren Mitarbeiter überhaupt beim Netzbetreiber vorstellig werden. Dabei ist es neben dieser eher proaktiven Rolle sicher nützlich, bereits vorbeugend einen Verhaltensrahmen, vielleicht auch eine neue Stufe der Unternehmenskultur zu entwickeln, in denen festgelegt wird, wie mit Entscheidungen, Beschlüssen, Auskunftsverlangen und so weiter der RegTP umgegangen werden soll.
Regulierung & Informationsverarbeitung
Die zukünftige Regulierungsbehörde hat Informationsbedarf, der sich aus dem Entwurf des neuen EnWG ergibt. Zum Beispiel:
? (§ 7) Entgegennahme von Anti-Diskriminierungsberichten
? (§ 10) Entgegennahme von geprüften Jahresabschlüssen einschließlich des Bestätigungsvermerks.
? (§ 14) Entgegennahme von Berichten der ÜNB über Netzschwachstellen und deren Behebung.
? (§ 28) Bericht über die Ermittlung der Netznutzungsentgelte
? (§) Zeit für die Herstellung von Anschlüssen und Reparaturen
? (§ 47) Meldepflichten bei Versorgungsstörungen - (1) Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen haben der Bundesregulierungsbehörde bis zum 30. Juni eines Jahres über alle in ihrem Netz im letzten Kalenderjahr aufgetretenen Versorgungsunterbrechungen einen Bericht vorzulegen.
Weitere Berichtspflichten ergeben sich aus der Netzentgeltverordnung und der Netzzugangsverodnung.
Die Regulierungsbehörde als Kommunikationspartner
für mehr als 1.000 (Strom- / Gas-) Netzbetreiber
Um all diese Informationen aufnehmen zu können, wird sich die Regulierungsbehörde deshalb in die Kommunikationsprozesse des Marktes einbinden und für ein hohes Maß an Automatisierung sorgen. Dazu werden ähnliche Kommunikationsstandards benötigt, wie sie heute bereits für die Kommunikation der anderen Markteilnehmer untereinander genutzt werden. Dies sind zum Beispiel:
EDIFACT mit MSCONS für Zählwerte und UTILMD für Stammdaten oder ESS für Fahrplanmanagement und –kommunikation.
Position der RegTP zur Marktkommunikation
Die Kommunikation mit der neuen Regulierungsbehörde wird IT-basiert erfolgen, und auch bei der Kommunikation der Marktteilnehmer untereinander setzt die Regulierungsbehörde eindeutig auf den elektronischen Datenaustausch.
Die Netzzugangsverordnung (NZV) spricht dazu eine eindeutige Sprache:
? Die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen ermöglichen den Netznutzem den elektronischen Datenaustausch. Der Datentransfer muss zeitnah in einem einheitlichen Format erfolgen.
? Die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen wirken darauf hin, dass der Datenaustausch in einheitlichen Prozessen erfolgt, die eine größtmögliche Automatisierung beinhalten.
? An der Festlegung der Prozesse und des Formats des Datenaustauschs sind die Netznutzer in geeigneter Weise zu beteiligen.
Beispiele aus regulierten Märkten
In anderen Ländern sind der Regulierer als Marktteilnehmer und elektronischer Datenaustausch bereits umfassend etabliert. So müssen finnische Netzbetreiber ihre Netzentgelte regelmäßig an EMA (Energiamarkkinavirasto) melden. In den Niederlanden betreibt TenNet als zentraler Marktteilnehmer sogar das zentrale System für den EDI-Nachrichtenaustausch (QUOTES, DELFOR, MSCONS, UTILTS). Sehr weitgehend sind Informationsbedarf und Berichtspflichten auch in Österreich geregelt. Neben regelmäßigen Berichten können auch spontan Anfragen gestellt werden. Als Folge der Diskussion um Versorgungssicherheit im Jahre 2003 forderte E-Control im August 2003 beispielsweise von Betreibern großer Lauf-, Speicher- und Wärmekraftwerke sowie von Netzbetreiber eine (freiwillige) wöchentliche Übermittlung von Eckdaten über die Erzeugungssituation und
-möglichkeit, die Netzsituation sowie über die Verbrauchsentwicklung für den Zeitraum von fünf Wochen.
Strom- und Gasnetzbetreiber müssen sich auf den Informationsbedarf der Regulierungsbehörde einstellen. Deshalb sind unternehmensintern geeignete Quellen und Informationsprozesse sowie verfahrenstaugliche Informationssysteme vorzusehen. Ziel muss eine effiziente und passgenaue (konsistente) Informationserstellung und –kommunikation sein. Beispiele dafür gibt es im Rahmen der heute etwa bereits an Verbände, Landeswirtschaftsbehörden oder Ämter für Statistik gemeldeten Berichte. Neben dem periodischen "Reporting" wird man sich zusätzlich auch auf "Ad hoc Meldungen" einrichten müssen.
In diesem Zusammenhang könnte man auch die allgemein bekannten "Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)" wie folgt umformulieren:
? Keine Information ohne Quelle
? Informationen müssen zweckmäßig chronologisch geordnet und lückenlos sein.
? Sämtliche Informationen müssen anhand der Quellen jederzeit nachprüfbar sein.
? Die Informationen müssen konsistent sein und jederzeit abrufbar aufbewahrt werden.
? Sie müssen revisionssicher gespeichert werden.
? Informationen sind so zu archivieren, dass sie ordnungsgemäß aufbewahrt werden können.
Wie für die GoBs das Handelsgesetz gilt, so gilt eben für die Berichtspflichten der Netzbetreiber das EnWG mit seinen Verordnungen.
Gleichzeitig zeigt das Beispiel der Buchhaltung als eingespielter und effizienter Prozess, was im Rahmen der Bedienung zukünftiger Berichtspflichten noch zu verbessern ist. Bei Tests in einem deutschen EVU wurde festgestellt, dass Informationen (auch "eigentlich selbstverständliche" Daten) nicht oder nur mit extrem hohen personellen Aufwand erhoben werden konnten. Die so gewonnenen Ergebnisse waren inkonsistent oder erzeugten hohen Abstimmungsaufwand. Und die Informationsbeschaffung dauerte in allen Fällen wesentlich länger als geplant.
Dies verwundert nur bedingt. Zwar gibt es wie schon erwähnt auch heute bereits die unterschiedlichsten Berichtspflichten, aber nur in den seltensten Fällen sanktionsbewert. Und auch, wenn man eigentlich erst nach Kenntnis über den tatsächlichen Informationsbedarf der Regulierungsbehörde geeignete Informationsquellen, Erfassungs- und Plausibilisierungsverfahren sowie Unterstützung durch Datenverarbeitung geplant und implementiert werden können, gilt, dass gerade jetzt die Erfahrung aus Umgang mit anderen Berichtsprozessen genutzt werden kann, um daraus zu lernen.
Fazit
Abschließend bleibt festzustellen, dass Regulierung, nicht Regulierungsmanagement der eigentliche Treiber für Veränderungen in Organisation und Informationsverarbeitung eines Netzbetreibers ist. Wesentlich ist die regelmäßige Erhebung, zeitnahe und revisionssichere Verarbeitung sowie konsistente Kommunikation der jeweils nötigen Daten. Dafür geeignete IT-Systeme und Informationen sind häufig bereits vorhanden, aber nur selten maschinell so miteinander verknüpft, dass Qualität und Effizienz des Outputs den zukünftigen Markterfordernissen entsprechen. Zusätzlich angepasst oder ergänzt werden müssen die Kommunikationsverfahren. Papier und Fax sind obsolet. Die zukünftige Kommunikation der Marktteilnehmer untereinander und mit der Regulierungsbehörde kann nur noch nach einheitlichen Verfahren und elektronisch erfolgen.
Autor: Bernhard Mildebrath, Schleupen AG / Uwe Pagel, exklusiv für ew 06/05