Die Zielvorgabe ist klar: Wie in der Telekommunikation soll auch im Energiemarkt Wettbewerb herrschen. Nicht nur beim Strom, wo heute bereits jeder seinen Anbieter frei wählen kann, sondern künftig auch beim Gas. Um diese Liberalisierung der Energiemärkte voranzutreiben, trat vor gut einem Jahr das neue Energiewirtschaftsgesetz in Kraft. Mit der Bundesnetzagentur wurde eine Instanz geschaffen, die dafür sorgen soll, dass diejenigen, die die Energie verkaufen, nicht behindert werden durch diejenigen, die die Netze für die Verteilung dieser Energie betreiben. Weder durch überhöhte Netzentgelte, also die Gebühren für die Benutzung der Netze, noch durch anderweitige Strategien, also beispielsweise dadurch, dass die eigene Energieverkaufsabteilung besondere Verbraucher-Informationen erhält, die der Konkurrenz nicht zugänglich sind.
Damit Wettbewerb funktionieren kann, braucht es drei Voraussetzungen:
Erstens braucht es Angebot und Nachfrage. Ist die Nachfrage größer als das Angebot, steigen die Preise und der erwartete Wettbewerb bringt nicht den erwarteten Erfolg, nämlich sinkende Preise. Diese Situation haben wir in den Energiemärkten. Das Angebot ist tatsächlich knapp oder es wird verknappt – und die Preise steigen. Diejenigen, die das Angebot besitzen und kontrollieren, machen Gewinne, die oft weit über ihren Erzeugungskosten liegen. Die Nachfrager haben das Nachsehen. Das heißt, es ist ein Irrtum zu glauben, schon die bloße Einführung von Wettbewerb führe dazu, dass die Preise sinken. Grundvoraussetzung ist, dass es ein ausreichend großes Angebot gibt, das idealerweise sogar größer ist als die Nachfrage. Dann sinken die Preise. Also müssten die Wettbewerbshüter dafür sorgen, dass es dieses ausreichend große Angebot gibt.
Zweitens braucht ein funktionierender Wettbewerb eine ausreichende Zahl von Wettbewerbern, die in Konkurrenz zueinander als Anbieter stehen. Gäbe es nur einen Anbieter, hat dieser ein Monopol. Bieten am Markt nur einige wenige an, bilden diese ein Oligopol. Das Oligopol steuert das Angebot. Jede Verknappung führt zu steigenden Preisen, die wiederum die Gewinne der Oligopolisten sprudeln lassen. 90 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland sind in der Hand von vier großen Energiekonzernen, aber nur 15 Prozent der insgesamt in Deutschland erzeugten Strommenge werden über die Strom-Börse abgesetzt, also den Handelsplatz, an dem sich der Strompreis im freiem Spiel von Angebot und Nachfrage bildet. In diesem Zusammenhang liegt der wahre Grund für steigende Strompreise in Deutschland. Der offizielle Großhandelsmarkt, an dem sich insbesondere Stadtwerke, die keinen oder nur wenig Strom selbst erzeugen, eindecken müssen, orientiert sich an den Börsenpreisen. Diese sind von Februar 2005 bis heute um ca. 80 Prozent gestiegen. So werden die steigenden Großhandelspreise zum Preistreiber für die Endverbraucherpreise. Die Erzeuger aber, die zu beinahe gleichen Kosten den Strom herstellen, häufen ihre Gewinne. Es ist ein weiterer Irrtum zu glauben, mit einer Preiskontrolle der Endverbraucherpreise könne diese Spirale verhindert werden. Der "Erfolg" einer solchen Preisbegrenzung wäre, dass sich immer mehr Unternehmen, die am Großhandelsmarkt zu steigenden Preisen einkaufen müssen, aus dem Markt verabschieden. Das heißt, die Oligopolbildung würde sich noch verstärken. Diese Art der Ordnungspolitik kann aber nicht gewollt sein, denn Wettbewerb braucht Wettbewerber. Dass diese in ausreichender Zahl vorhanden sind bzw. bleiben, dafür sollten die Wettbewerbshüter sorgen. Eine erste und aus Sicht eines Unternehmens, das am Großhandelsmarkt Strom einkaufen muss, die wichtigste Maßnahme wäre die Verpflichtung der oligopolistischen Stromkonzerne zum Verkauf von mindestens 50 Prozent ihrer erzeugten Mengen über die Börse. Dann erst hat Wettbewerb überhaupt eine Chance.
Die dritte Voraussetzung für funktionierenden Wettbewerb ist der uneingeschränkte Marktzugang. Die Bedingungen des Marktzugangs fördern oder hemmen den Wettbewerb. Je bürokratischer und technisch komplizierter diese Bedingungen sind, umso mehr hemmen sie die Wettbewerbsentwicklung. Dies gilt gleichermaßen für Anbieter wie Nachfrager. Die wesentliche, zwingende Bedingung für den Zugang zu den Strom- und Erdgasmärkten ist der Zugang zu den Netzen, über die die Energie geliefert wird. Wenn der Zugang nicht diskriminierungsfrei und in möglichst unkomplizierter Form möglich ist, wird Wettbewerb nicht funktionieren. An dieser Stelle setzt die Aufgabe der Bundesnetzagentur (BNA) an. Anstatt sich vorrangig um den unkomplizierten, funktionierenden Netzzugang zu kümmern, setzt die BNA schwerpunktmäßig bei der Prüfung der Höhe der Netznutzungsentgelte an. Notorisch wird behauptet, die Netzentgelte seien durchweg zu hoch und sie seien der Hauptgrund für die hohen Strompreise in Deutschland. Es mag sein, dass es in manchen Netzen im Vergleich zum Durchschnitt sehr hohe Netznutzungsgebühren gibt. Die Gründe hierfür sind zu hinterfragen. Aber die pauschale Vorverurteilung einer ganzen Branche, sie erhebe überhöhte Netznutzungsentgelte, ist nicht angebracht und nicht sachgerecht. Den Kosten der deutschen Stromnetze steht eben auch ein Standard gegenüber, der weltweit seinesgleichen in punkto Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit sucht. Es ist ein weiterer Irrtum zu glauben, die Höhe der Netznutzungsentgelte, die ohnedies lediglich 25 Prozent des Gesamt-Strompreises ausmachen, hätte einen entscheidenden Einfluss darauf, ob Wettbewerb funktioniert oder nicht. Wer die Ertragskraft aus den Netzinvestitionen rigide kürzt, trifft als erstes Stadtwerke, die Letztverteilernetze betreiben. Ihre Finanzkraft, die notwendig ist, um z.B. in Erzeugungsanlagen zu investieren wird, massiv reduziert. Die Wirkung ist, dass der Oligopolisierung weiter Vorschub geleistet wird, anstatt den Wettbewerb zu stärken.
Als Beleg dafür, dass der Autor sehr wohl aus eigener Erfahrung weiß, wovon er schreibt, soll ein Beispiel aus seinem Verantwortungsbereich dienen. Es gibt nämlich Regionen, in denen der Wettbewerb schon recht gut funktioniert - auch ohne dass die Bundesnetzagentur regulierend eingegriffen hat. Wie, das zeigt das Beispiel SchwabenStrom. Mit diesem Produkt war Energie Plus, die Energievertriebstochter der SWU, in den vergangenen Jahren äußerst erfolgreich. Allein im letzten Jahr stieg die Zahl der SchwabenStrom-Kunden von 50.000 auf 80.000 und im Sommer dieses Jahres waren es bereits mehr als 110.000 Kunden. Die meisten dieser Neukunden hat Energie Plus außerhalb des angestammten Netzgebietes der SWU gewonnen, was natürlich die Wettbewerber auf den Plan gerufen hat. Diese haben daraufhin ihre Aktivitäten vor allem in Ulm und Neu-Ulm deutlich verstärkt. So ist inzwischen mit Yello die Strom-Marke des Energiekonzerns EnBW in Ulm mit einem eigenen Ladengeschäft präsent. Genauso wie "Cleverle Sparstrom", hinter dem die Stadtwerke Landsberg stehen, ein Tochterunternehmen der Lechwerke, die wiederum ebenfalls einem Stromkonzern gehören, nämlich dem RWE. Diese Konkurrenz wirkt sich direkt senkend auf die Strompreise in Ulm und Neu-Ulm aus. Das ist gut so. Zum Vorteil der Bürger der Doppelstadt. Und dies völlig unabhängig von der Höhe der Netzentgelte in der Region Ulm, denn diese sind hier für alle Anbieter von Strom gleich.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig ein Stadtwerk wie die SWU in diesem Wettbewerb ist. Denn trotz des Größenunterschiedes zu Unternehmen wie EnBW oder RWE hat es die SWU geschafft, Bewegung in diesen regionalen Markt zu bringen. Das beweist, ohne diese Konkurrenz zwischen den Großen und den Stadtwerken gäbe es keinen funktionierenden Wettbewerb.
Als Fazit kann man festhalten:
Zur Zeit wird der Auftrag, Wettbewerb auf den Energiemärkten einzuführen, von vielen Irrtümern begleitet. Die daraus resultierenden Maßnahmen gehen am Kern des Problems vorbei. Sie sind weitgehend kontraproduktiv zur Förderung des Wettbewerbs und zum Ziel, die Preise zu senken. Konkurrenz belebt das Geschäft. Deshalb sind Stadtwerke als wettbewerbsbelebende Elemente im Markt wichtiger denn je. Ein Vergleich mit den Sparkassen und dem Geldmarkt liegt nahe. Es muss noch viel getan werden von Politik und Behörden, um einer offensichtlichen Fehlentwicklung gegenzusteuern.
Autoren: Matthias Berz und Uwe Pagel, exklusiv für CDU intern