"Public Private Partnership" auch bei der Abrechnung
Stadtwerke Ingolstadt und Ingolstädter Kommunalbetriebe erschließen neue Synergien
Mit der Gründung von "Shared Services" versuchen derzeit zahlreiche Energieversorger Synergieeffekte zu bewahren, die ansonsten beim Unbundling verloren gehen könnten. Ein eigener "Dienstleister" für die Abrechnung oder das Rechnungswesen soll doppelten Aufwand bei der Netz- und der Vertriebsorganisation vermeiden und die Effizienz erhöhen. Die Stadtwerke Ingolstadt haben hierbei die Abrechnung der privatrechtlich geregelten Strom-, Gas , und Wärmelieferungen an die Holding Stadtwerke Ingolstadt Beteiligungen GmbH übertragen. Für die öffentlich rechtlich erhobenen Gebühren für Wasser, Abwasser, Abfallbeseitigung und Straßenreinigung erfolgt die Abrechnung durch die Ingolstädter Kommunalbetriebe AöR. Beide Gesellschaften nutzen die gleiche Hard- und Software sowie bedienen sich einer gemeinsamen Datenbank. Mit dieser Form des "Public Private Partnership" konnten jetzt ganz neue Einsparungspotenziale erschlossen werden. Eine typische Win-Win-Situation ist die Folge.
Aus Sicht des Bürgers ist der Unterschied zwischen einer "Rechnung" und einem "Bescheid" gering: In beiden Fällen muss er zahlen. Rein rechtlich gesehen ist dieser Unterschied allerdings bedeutsam. Denn der Bescheid fällt in den "hoheitlichen" Bereich und wird von einer öffentlichen Institution oder Behörde ausgestellt, die Rechnung basiert dagegen auf einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis. Die Abrechnung von Strom, Gas und Wärme basiert also auf ganz anderen rechtlichen Grundlagen als beispielsweise die des Abwassers. "Dieser Umstand war für uns der Auslöser, die Abrechnung funktional zu entflechten. Die Abrechnung von Strom, Gas und Wärme blieb bei den Stadtwerken angesiedelt. Die Abrechnung der Gebühren für Wasser, Abwasser, Abfallbeseitigung und Straßenreinigung wird seit Oktober des letzten Jahres über die Ingolstädter Kommunalbetriebe abgewickelt.", beschreibt Andrea Steinherr, kaufmännische Leiterin der Ingolstädter Kommunalbetriebe AöR und der Stadtwerke Ingolstadt Beteiligungen GmbH, den Ursprung des "Abrechnungs-Unbundlings". Formal wurde mit der Entflechtung in erster Linie den Anforderungen der Abgabenordnung genüge getan.
Um trotz der erforderlichen rechtlichen und organisatorischen Trennung möglichst viele Synergieeffekte zu erschließen, wurde die Neuorganisation auf Basis einer gemeinsamen IT-Infrastruktur umgesetzt. Zentrales Werkzeug für die Abrechnung ist dabei die Branchenlösung Schleupen.CS. Sie arbeitet integriert mit SAP R/3, das die Funktionen für das Rechnungswesen und das Controlling abdeckt. Sowohl die zentralen Dienste der Stadtwerke Ingolstadt Beteiligungen GmbH als auch der Ingolstädter Kommunalbetriebe arbeiten mit einer gemeinsamen Datenbank und damit auch mit demselben Kundenstamm. Beim Kundenzugang können damit alle entstehenden Synergien offensiv genutzt werden. So kann der Vertriebsmitarbeiter der Wasserversorgung seinen Kunden bei Bedarf, quasi alles aus einer Hand, jederzeit auch die Angebote der Stadtwerke offerieren, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Energieprodukt oder einen Hausanschluss handelt. Über die Wasserversorgung erhalten wir so einen zusätzlichen und sehr wertvollen Zugang zum Kunden. Aber natürlich funktioniert diese Partnerschaft auch in der anderen Richtung, beschreibt Andrea Steinherr die Vorteile.
Das Modell einer gemeinsam genutzten IT-Infrastruktur senkt zudem die IT-Kosten für die beiden Partner deutlich. Die Stadtwerke und die Kommunalbetriebe teilen sich die Hardware- und Lizenzkosten. "Durch die Integration von Schleupen.CS und SAP liegen wir bei den IT-Kosten deutlich günstiger, als bei einer durchgängigen SAP-Lösung. Über die Kostenteilung haben wir nun weitere Einsparungspotenziale erschließen können", so die Bilanz von Andrea Steinherr. Weitere Synergieeffekte aus der Kooperation ergeben sich aus der Zusammenlegung von Arbeitsabläufen. Die Ablesung der Wasserzähler erfolgt gemeinsam mit der Ablesung der Zähler für Strom, Gas und Wärme. Die Abrechnungsläufe für Strom, Gas und Wärme auf der einen sowie für Wasser, Abwasser, Abfallbeseitigung und Straßenreinigung auf der anderen Seite werden nicht getrennt, sondern synchronisiert abgewickelt. Der Output wird vollautomatisiert selektiert und unterschiedlich kuvertiert. Die Ablesung und Abrechnung ist ein Arbeitsgang – bis hin zur Verteilung.
Das Ingolstädter Modell für Public Private Partnership wirkt inzwischen auch nach außen. Ähnlich wie derzeit viele Stadtwerke die Dienstleistungen ihres Shared Service auch externen Kunden anbieten, treten nun auch die Ingolstädter Kommunalbetriebe als Abrechnungsdienstleister auf. So wurde beispielsweise im Zuge der interkommunalen Kooperation mit Außengemeinden auch die Abwasserabrechnung übernommen. Dieses Abrechnungs-Know-how soll künftig anderen Kommunen, städtischen Eigenbetrieben und Kommunalbetrieben verstärkt zur Verfügung gestellt werden. "Ziel ist es, unsere vertrauensvollen langjährigen Partnerschaften in der Region zur Hebung von interkommunalen Effizienzen einzusetzen", so Dr. Thomas Schwaiger, Vorstand der Ingolstädter Kommunalbetriebe AöR. "Das geschieht zum gegenseitigen Vorteil der kommunalen Seiten und stärkt den Multi-Utility-Vorsprung unserer im Energiewettbewerb stehenden Töchter." Eine Stoßrichtung, die auch für die Stadtwerke Vorteile bringt. "Je breiter die gemeinsame Basis ist, desto besser für alle Beteiligten. Ich sehe deswegen die offensive Strategie der Kommunalbetriebe nicht als Konkurrenz, sondern als willkommene Erweiterung des Angebots, auf deren Basis wir letztendlich unsere eigenen Shared Services noch wirtschaftlicher gestalten können" lautet das Fazit von Heinz Maier, Geschäftsführer der Stadtwerke Ingolstadt Beteiligungen GmbH.
Autor: Uwe Pagel, exklusiv für ZfK 08/06