Das bisherige Energieversorgungssystem wurde für die Aufgabe entwickelt, mit wenigen großen und zentral orientierten Energieumwandlungsanlagen eine große Zahl von räumlich verteilten Verbrauchern zuverlässig und kostengünstig mit Energie zu versorgen. Durch die Deregulierung und Liberalisierung der Energiemärkte und aktuelle politische Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene gewinnt die dezentrale Energieversorgung gegenüber den klassischen zentral orientierten Versorgungsstrukturen immer stärker an Bedeutung. Auf Basis neuer Versorgungskonzepte bilden sich neue Strukturen heraus, die wirtschaftlich interessante Möglichkeiten bieten. Vor allem auch als Ergänzung zu den herkömmlichen Versorgungssystemen.
Autoren: Dr. Maik Hollmann, c.con, und Uwe Pagel
Problemfelder der zentralen Energieversorgung sind heute die starke Klimabelastung durch die Emission von Treibhausgasen und Luftschadstoffen, der enorme Verbrauch fossiler Energieträger oder die wachsende Importabhängigkeit. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass der Wandel zu einem neuen Energiesystem unumgänglich und von vielen Seiten bereits eingeleitet ist. Selbst wenn der Zeithorizont noch fern erscheint, so muss man sich schon heute mit der konzeptionellen Ausgestaltung dieses neuen Energiesystems beschäftigen.
Die Schaffung dieses Systems muss sich dabei an Nachhaltigkeitskriterien gemäß den energiepolitischen Zielen orientieren. Notwendig ist hierfür eine Energiewende, deren hauptsächliche Elemente mehr Energieeinsparung, mehr Energieeffizienz, der Ausbau erneuerbarer Energien und die Substitution fossiler Energieträger sind (Bild 1).
Die hauptsächlichen Treiber dieser Entwicklung sind dabei:
• zunehmende Bedeutung externer Kosten
• wachsender Energie- und Wohlstandsbedarf
• Liberalisierung und Deregulierung der Energiemärkte
• politische Ziele zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien
• Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz
• Erhöhung der Versorgungssicherheit
Die Rolle der Gesellschaft ist ebenso nicht zu unterschätzen. Regionale Umverteilungen der Bevölkerung und die Landflucht führen in den nächsten Jahren dazu, dass Großkraftwerke, auch die geplanten Kraftwerksneubauten, "am falschen Ort" stehen. Ebenso hat die Landflucht Auswirkungen auf die Netzkosten in wachstumsschwachen Regionen.
Dezentrale Energieversorgung
Bisher gibt es in der Versorgungswirtschaft keine eindeutige Definition für den Begriff der "dezentralen Energieversorgung". Es stellt sich hierbei zum Beispiel die Frage, welche Energieumwandlungsanlagen als zentral oder dezentral einzustufen sind. Es gibt keine klare Abgrenzung über Anlagenparameter wie etwa die Nennleistung oder den eingesetzten Primärenergieträger. Dies ist auch nicht sinnvoll, da die Dezentralität in der Energieversorgung mehrere Dimensionen hat. So sind sich Experten häufig uneinig, ob zum Beispiel ein Windpark zum dezentralen System gezählt werden kann, oder ob es sich hierbei um ein zentrales Großkraftwerk handelt. Aus der Sicht eines großen Energieversorgungsunternehmens ist zum Beispiel die Versorgung einer einzelnen Stadt bereits eine dezentrale Energieversorgung, während ein Stadtwerk erst die Versorgung einer Siedlung als eine dezentrale Versorgungsvariante ansieht.
Der Begriff "dezentral" bedeutet allgemein, dass ein System jedweder Art auf mehrere Standorte verteilt ist. Beispiele hierfür sind dezentrale Organisationsstrukturen in Wirtschaftsunternehmen oder verteilte Intelligenz in der Automatisierungstechnik.
Das EnWG definiert in § 3 Abs. 11 "dezentrale Erzeugungsanlagen" als an das Verteilnetz angeschlossene verbrauchs- und lastnahe Erzeugungsanlagen. Die dezentrale Erzeugung umfasst also jene Erzeugungsanlagen, die an öffentliche Mittel- oder Niederspannungsverteilnetze verbrauchsnah angeschlossen sind (Bezugspunkt Übergabestelle), sowie alle Erzeugungsanlagen, die der Eigenversorgung dienen. Aus der Sicht des Übertragungsnetzes kann man also von einer heute bereits praktizierten Normalsituation sprechen. Bezogen auf das Verteilnetz handelt es sich um kleinere Einspeisungen parallel zur zentralen Energieversorgung durch Großkraftwerke.
Die dezentrale Energieversorgung umfasst sowohl den netzparallelen als auch den autonomen Betrieb der Anlagen. Diese Definition hat eine quantitative und eine geographische Dimension. Die Energie wird nicht durch vereinzelte, zentral orientierte Großkraftwerke, sondern durch wesentlich kleinere, dafür aber zahlenmäßig mehr Anlagen zur Verfügung gestellt, um den Energiebedarf der Endkunden zu decken. Die dezentralen Energieumwandlungsanlagen stehen unmittelbar dort, wo der Primärenergieträger zur Verfügung steht (zum Beispiel bei Windenergie, Photovoltaik oder Erdwärmenutzung) und/oder die Energie durch den Endkunden gebraucht wird. Die Folge ist eine sich verändernde Kraftwerksstruktur (Bild 2). Dabei schließen sich die zentrale und die dezentrale Energieversorgung keinesfalls aus. Beide Energiesysteme können nebeneinander bestehen und sich gegenseitig ergänzen (integrale Energieversorgung).
Da die Energieflussrichtung nicht eindeutig ist, handelt es sich um eine horizontale Netznutzung. In naher Zukunft wird es darauf ankommen, einen optimalen Strukturmix aus beiden Energiesystemen bereitzustellen. Dies ist eine ideale Voraussetzung für einen langfristig angelegten Transformationsprozess hin zu einem neuen Energiesystem.
Dezentrale Energieumwandlung
Besonders KWK-Technologien und Energieumwandlungsanlagen, die erneuerbare Energien als Primärenergieträger verwenden, bieten ein enormes Potential für die dezentrale Energieversorgung. Zu den KWK-Anlagen innerhalb kleiner Leistungsbereiche zählen in erster Linie der Verbrennungsmotor, Brennstoffzellen, Mikrogasturbinen und auch der Stirlingmotor. Neben den fossilen Energieträgern stehen auch die erneuerbaren Energieträger zur Verfügung. Die wesentlichen erneuerbaren Energien, die entweder direkt oder nach entsprechender Umwandlung technisch genutzt werden können, sind die solare Strahlung, die Biomasse, die Windenergie, die geothermische Energie und die Wasserkraft. Durch die Umwandlung dieser Energieformen lässt sich elektrischer, thermischer oder chemischer Energiebedarf decken.
Ferner lassen sich die Energieumwandlungstechnologien nach ihrer Verfügbarkeit bzw. Regelbarkeit einteilen. So gibt es dargebotsabhängige Energieformen, wie zum Beispiel die Wind- und Solarenergie. Hierbei entscheiden die Wetterverhältnisse und Tageszeiten über die Energiebereitstellung. Der zeitliche Verlauf der Momentannutzleistung hat bei dargebotsabhängigen Energien einen stochastischen Charakter. Im Gegensatz dazu zählen fossil befeuerte Blockheizkraftwerke (BHKW) und Technologien zur Biomassenutzung zu den steuerbaren Energieumwandlungsanlagen. Die Brennstoffbereitstellung erfolgt hier kontinuierlich bzw. ist ein rein logistischer Prozess. Daher können diese Energiewandler im Rahmen einer Kraftwerkseinsatzplanung bzw. mit Hilfe eines Erzeugermanagements über den gesamten Leistungsbereich individuell geregelt werden.
Im europäischen Vergleich ist der Anteil dezentraler Energieumwandlung gemessen an der gesamten elektrischen Erzeugungskapazität äußerst unterschiedlich (Bild 3). Dänemark hat mit rund 38 % den größten Anteil an dezentraler Energieumwandlung. Etwa 24 % der dort installierten Kraftwerkskapazität stammt aus regelbaren dezentralen Einheiten. Spanien liegt mit 23 % an zweiter Stelle. Deutschland hat einen Gesamtanteil an dezentraler Energieversorgung von 20 %. Schlusslichter im europäischen Vergleich bilden Griechenland mit 3 % und Frankreich mit 2 %.
Virtuelle Kraftwerke
Einzelne dezentrale Erzeuger können sich wegen ihrer geringen Leistung derzeit nicht wirtschaftlich am Stromhandel beteiligen. Die Anbindung kleinerer dezentraler Energieumwandlungsanlagen an das Versorgungsnetz findet deswegen häufig in Anlehnung an die Gesetzgebung unter der Annahme völlig unkorrelierter / unbeeinflusster Erzeugung statt. Mit einem Energiemanagementsystem lassen sich jedoch dezentrale Erzeugungsanlagen bündeln und um Bedien- und Beobachtungsfunktionen ergänzen, sodass sie ein virtuelles Kraftwerk bilden. Ein virtuelles Kraftwerk setzt sich zwar aus kleinen Erzeugungseinheiten zusammen, ist aber durchaus in Größe und Regelbarkeit mit einem Großkraftwerk vergleichbar. Nach außen weist ein virtuelles Kraftwerk das gleiche Verhalten auf wie ein großes zentrales Kraftwerk, das bedeutet Planbarkeit aufgrund von Prognosen und Regelbarkeit aufgrund von Erzeugungsmanagement und Einsatzplanung. Damit können virtuelle Kraftwerke am Stromhandel mitwirken und zur allgemeinen Energieversorgung beitragen. Außerdem lässt sich durch die Zusammenfassung von Erzeugern mit fluktuierendem Dargebot, steuerbaren Erzeugungsanlagen und Speichertechnologien eine nachfrageorientierte Energielieferung erreichen.
Microgrids
Abgeschlossene Versorgungsgebiete, die üblicherweise mit dem öffentlichen Netz durch definierte Schnittstellen verbunden sind, lassen sich mit entsprechender technischer Ausstattung netzunabhängig betreiben. Betreiber dieser Microgrids sind genauso für die Netzsicherheit verantwortlich wie die heutigen Netzbetreiber. Idealerweise decken die dezentralen Erzeugungseinheiten den jeweiligen Bedarf des Versorgungsgebietes, bestehend aus privaten Haushalten, Gewerbe-, Handel-, Dienstleistungs- und Landwirtschaftsbetrieben sowie Industrieunternehmen. Die Verbindung zu einem überlagerten Netz sorgt ergänzend dafür, dass auch bei Nichtverfügbarkeit eines Teils der dezentralen Erzeugungsanlagen die Versorgung gewährleistet ist. Ferner kann bei Störungen im überlagerten Netz das Microgrid abkoppelt werden und sich zumindest vorübergehend durch vorhandene dezentrale Erzeuger selbst versorgen. Neben einer ausreichenden Erzeugungskapazität erfordert dies eine hohe dynamische Regelbarkeit der Erzeugungsanlagen, neue Regelkonzepte und moderne Informations- und Kommunikationstechnik.
Dezentrales Energiemanagement
Für den Betrieb eines verteilten Kraftwerks und eines Microgrids ist es notwendig, die einzelnen dezentralen Erzeuger untereinander zu vernetzen und in ein übergeordnetes dezentrales Energiemanagement zu integrieren. Durch die koordinierte Steuerung und intelligente Vernetzung sind dynamische Optimierungen möglich, die sowohl Energie- als auch Kosteneinsparungen ermöglichen. Intelligent bedeutet, dass die dem dezentralen Energiemanagement zugrunde liegende Software überwiegend selbständig agieren kann.
Das dezentrale Energiemanagement umfasst die Planung, Koordination, Kontrolle und Auswertung aller Aktivitäten, deren Ziel die ökonomische, ökologische und technische Optimierung des zur betrieblichen Leistungserstellung notwendigen Energieeinsatzes ist. Diesbezügliche Aktivitäten können sowohl technische Maßnahmen als auch betriebswirtschaftliche Entscheidungen sein. Dezentrales Energiemanagement umfasst das Erzeugungsmanagement und das Lastmanagement (Bild 4).
Erzeugungsmanagement
Unter Erzeugungsmanagement werden Maßnahmen auf Versorgerseite zur gezielten Beeinflussung einer Einspeisung zur kosten- und / oder systemoptimalen Versorgung der angeschlossenen Verbraucher verstanden. Die Aufgaben des Erzeugungsmanagements sind Prognose, Planung, Durchführung und Überwachung von Aktivitäten, die zu einer Beeinflussung der bereitgestellten Leistung führen.
Lastmanagement
Neben dem Erzeugungsmanagement spielt das Lastmanagement eine zentrale Rolle. Unter Lastmanagement werden Maßnahmen auf Verbraucher- bzw. Kundenseite verstanden, die zur Bereitstellung einer ausgeglichenen Energie- und / oder Leistungsbilanz erforderlich sind (Demand Side Management / Demand Response Programme). Ziel des Lastmanagements ist, Spitzenlast zu verringern und den Lastgang zu verstetigen sowie den Leistungsbedarf, soweit möglich, angemeldeten Fahrplänen anzupassen. Die Aufgaben des Lastmanagements sind Prognose, Planung, Durchführung und Überwachung von Aktivitäten, die zu einer Beeinflussung des Verbrauchsprofils führen. Die EVU sind dazu verpflichtet, jederzeit so viel Energie bereitzustellen, wie gerade benötigt wird oder wie mit den Kunden vertraglich vereinbart wurde. Das Ziel ist dabei eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Kraftwerke zu erreichen. Um dies zu bewerkstelligen, müssen die Kunden dazu bewegt werden, ihren Energiebedarf möglichst gleichmäßig über den Tag zu gestalten.
Im Rahmen des Demand Response bilden dynamische Tarifsysteme für die angeschlossenen Kunden einen wirtschaftlichen Anreiz, um sich am Lastmanagement zu beteiligen. Eine Voraussetzung hierfür ist der Einsatz von elektronischen und intelligenten Energiezählern. Zum Einen wird für die Kunden ein angemessenes Energiemonitoring ermöglicht, zum Anderen wird über Zählerfernauslesung die Abrechnung erleichtert. Überdies bilden derartige Lastmanagementsysteme eine Möglichkeit zur Erfüllung der Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments.
Energie und Kommunikation
Die Versorgungsaufgabe und der Betrieb eines virtuellen Kraftwerks beinhalten einen enormen Kommunikationsaufwand. Voraussetzung ist eine leistungsfähige Kommunikation zwischen Erzeugung, Verbraucher, Speicher und Leitstelle sowie ein dezentrales Energiemanagementsystem mit Prognose, Einsatzplanung und Online Optimierung. Auch die Verknüpfung mit dem Zähl- und Messwesen (Automatic Meter Reading AMR / Advanced Metering Infrastructure AMI), zum Verteilnetzmanagement und die Gebäudeleittechnik erfordert eine leistungsfähige Kommunikation. Mit Hilfe intelligenter Informations- und Kommunikationstechnik lassen sich dezentrale Systeme dann wie ein einziges großes Kraftwerk betreiben. In Bild 5 ist beispielhaft der prinzipielle Aufbau eines virtuellen Kraftwerks mit verfügbarem Wärmenetz dargestellt. Ist kein Wärmenetz vorhanden, so entfällt auch die Anbindung der einzelnen dezentralen Systeme an ein Wärmenetz.
Die Kommunikation zwischen den dezentralen Erzeugern und der zentralen Leistelle mit dem Energiemanagementsystem kann auf unterschiedlichstem Weg realisiert werden. Zur Verfügung stehen Übertragungstechnologien wie Funk (zum Beispiel ZigBee, Z-Wave, Bluetooth, WLAN), Telefonwählleitung, Telefonstandleitung, Lichtwellenleiter, Satellitenverbindungen, GSM, Power Line Communication (PLC) oder Internet (DSL, Ethernet). Auf Basis von Global Positioning System (GPS) und Geographical Information System (GIS) kann eine Identifizierung der einzelnen Erzeuger im virtuellen Kraftwerk gewährleistet werden. Dadurch ist es möglich, eine eindeutige Zuordnung der Anlagen im Hot-Plug Verfahren zu realisieren. Neu installierte Anlagen können sich dann eigenständig bei der Leitstelle anmelden.
Geschäftskonzepte virtueller Kraftwerke
Der wirtschaftlich optimierte Einsatz eröffnet zusätzliche Wertschöpfungspotenziale für die beteiligten Unternehmen. Dabei können verschiedene Geschäftskonzepte verfolgt werden:
o Primärenergieeinsparung: Mit Hilfe einer externen Regelung von KWK-Anlagen wird versucht, Primärenergie im Vergleich zum rein wärmegeführten Betrieb von KWK-Anlagen einzusparen. Auch die Nutzung erneuerbarer Energien dient der Primärenergieeinsparung.
o Lastkurvenveränderung: Die Erzeugung dezentraler Anlagen wird in Zeiten einer hohen elektrischen Gesamtlast erhöht, um die durch konventionelle Kraftwerke zu deckende Last zu reduzieren.
o Lastflussoptimierung: Die externe Regelung zielt auf die Reduktion der Spitzenlast ab (Führungsgröße: Lastfluss in einem bestimmten Netzbereich)
o Alternative zum Kraftwerksneubau: Durch die technischen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen ändern sich die Kriterien bei der Investitionsentscheidung im Kraftwerksmarkt grundsätzlich. Hierbei ist das virtuelle Kraftwerk ein interessantes Konzept.
o Virtuelles Regelleistungskraftwerk: Ein vielversprechendes Betriebskonzept ist die Bereitstellung von Regelleistung durch dezentrale Erzeugungsanlagen.
Wichtig ist es in jedem Falle, sich frühzeitig auch mit den Fallstricken virtueller Kraftwerke auseinander zu setzen, um spätere Probleme vermeiden zu können. Denn neben dem höheren Kommunkationsaufwand müssen auch die komplizierten Besitzverhältnisse geregelt und eine effiziente Administration sichergestellt werden.
Intelligente Energienetze
Das Ziel des dezentralen Energiemanagements ist, den Einsatz von Energie ökonomisch und ökologisch nach vorgegebenen Kriterien durch eine Beeinflussung des Verbrauchers, Beeinflussung der Erzeugung, Import und Export von Energie sowie Speicherung zu optimieren. Der Optimierungsanspruch geht dabei über die üblichen Optimierungsansätze von Stadtwerken und Verteilnetzbetreibern hinaus. Folgende Betriebsmittel und Randbedingungen sollten berücksichtigt werden:
o Verträge für Bezug und Lieferung (Strom, Wärme bei vorhandenem Wärmenetz, Primärenergie, Reserveleistung)
o steuerbare, schaltbare und nicht beeinflussbare elektrische und thermische Lasten
o Energieumwandlungsanlagen: KWK-Anlagen, Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen, solarthermische und geothermische Anlagen, Heizkraftwerke, Spitzenlastkessel, thermische und elektrische Speicher, …)
Grundlage für die Optimierung sind Informationen über Betriebszustände, mögliche Freiheitsgrade und betriebszustandsabhängige Kosten aller an das System angeschlossenen Anlagen. Schritte der Optimierung des Energieeinsatzes sind:
o Erfassung und Prognose des elektrischen und thermischen Leistungsbedarfs, der erneuerbaren Energiebereitstellung, der Wetterdaten, der Marktpreise und des tatsächlichen Lastprofils
o Planung des Energieeinsatzes für die Folgezeiteinheit unter Einhaltung der technischen und vertraglichen Randbedingungen mit den Möglichkeiten zur Beeinflussung der Lasten, Steuerung der Erzeuger und Auswahl der Bezugsverträge.
o Überwachung der Planungsergebnisse für die aktuelle Zeiteinheit mit kostenoptimaler Umverteilung der auftretenden Planungsabweichungen auf Erzeuger, Speicher und beeinflussbare Lasten.
Mit Hilfe der koordinierten Steuerung und intelligenten Vernetzung aller Erzeuger und Lasten sind dynamische Optimierungen möglich, die sowohl Energie- als auch Kosteneinsparungen ermöglichen. Intelligente Energienetze ermöglichen eine übergeordnete Gesamtoptimierung dezentraler elektrischer und thermischer Energiesysteme, von der Erzeugung bis zum Verbrauch, über die gesamte Prozesskette der Energieumwandlung hinweg. Vorteile sind u.a.:
o Betreiber sind in der Lage, einen Stromüberschuss zu liefern und ihn an der Börse bzw. an Drittkunden zu verkaufen, wenn der Strompreis hoch ist. Im Gegenzug lässt sich Strom einkaufen, wenn er günstiger als die Eigenproduktion ist. Entscheidend ist stets der günstige Mix aus Eigenerzeugung und Fremdbezug.
o vorteilhafte Bezugskosten für Primärenergie durch Bündelungseffekte (Brennstoffportfoliomanagement)
o weitere Möglichkeiten der Monetarisierung durch Eröffnung neuer Märkte und Geschäftsmodelle (Regelenergiemarkt, reine Versorgungsaufgabe vor Ort, Energiehandel)
o Entkopplung von der Marktpreisentwicklung durch die Schaffung einer eigenständigen Stromversorgung
o Veredelung von unstrukturiert erzeugtem Strom. Die Veredelungsstufen sind: Besicherung der Leistung und Ausfallreserve, Überschussstrom-Vermarktung, Zusatzstrom-Vermarktung, Zusatzstrom- und Backup-Sicherung aus effizienter und kostengünstiger Erzeugung, Minimierung der Regelenergiebereitstellung durch zentrale Kraftwerke, weitere Systemdienstleistungen
o Stromportfoliomanagement mit Handelsaktivitäten zum Verkauf von Überschussmengen sowie zur Beschaffung von Zusatzmengen möglich
o Vermeidung von Regelenergiekosten durch zielgenaue Einsatzoptimierung
Herausforderungen für EVU
Aufgrund der Liberalisierung der Energiemärkte nimmt der Wettbewerb innerhalb der Versorgungswirtschaft deutlich zu und verursacht einen enormen wirtschaftlichen Druck auf die Unternehmen. Um auch in Zukunft aktiv im Markt agieren zu können sind neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Unter Ausnutzung aller Geschäftspotenziale ist die richtige strategische Unternehmensausrichtung von großer Bedeutung. Die dezentrale Energieversorgung bietet mit allen angrenzenden Fachgebieten - vom Metering über Lastmanagement, Erzeugungsmanagement, virtuelle Kraftwerke, Microgrids bis zu intelligenten Energienetzen - für Versorgungsunternehmen eine hervorragende Möglichkeit, sich im Wettbewerb vorzeitig und zukunftsweisend zu positionieren.
Natürlich gibt es auch kritische Faktoren, die bei der Ausgestaltung der dezentralen Energieversorgung zu beachten sind. So ist in der Großstadt sicherlich auch künftig ein Großkraftwerk mit Fernwärmenetz eine sinnvollere Alternative. Es bestehen auch technologieabhängige Markteintrittsbarrieren und fluktuierende Einspeiser wie Windkraftwerke oder Photovoltaik-Anlagen führen nach wie vor zu einem erhöhten Regelenergiebedarf. Doch diese Probleme werden mit der weiteren Entwicklung an Bedeutung abnehmen und können durch vorausschauende Konzepte in den Griff bekommen werden.
Für einen sinnvollen Markteintritt der Versorgungsunternehmen sind die Weichen schon heute zu stellen. Wegen ihrer dezentralen Struktur haben regional ansässige Stadtwerke die besten Voraussetzungen, diese neuen Geschäftsfelder zu erobern. Nicht zuletzt müssen dafür neue Strategien entwickelt werden, Unternehmensprozesse müssen neu definiert werden, die notwendigen Infrastrukturen müssen geschaffen werden. Die Energiewirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die nicht zu umgehen sind.
Zusammenfassung
Die Notwendigkeit der Umgestaltung des heutigen Energieversorgungssystems in ein neues Energiesystem, welches nachhaltig die Befriedigung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen garantiert, ist unbestritten. Dezentrale Energieversorgungssysteme bieten mit all ihren Facetten (Metering, Lastmanagement, Erzeugungsmanagement, virtuelle Kraftwerke, Microgrids, intelligente Energienetze) hierfür ein enormes Potenzial. Dabei wird es bei der Umgestaltung zu einer integralen Struktur kommen, wie wir sie in Teilbereichen schon heute vorfinden und in der sich dezentrale und zentrale Versorgungssysteme ergänzen.
Nach der Liberalisierung der Energiemärkte steht die Energiewirtschaft vor einem weiteren Umbruch. Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern ist die dezentrale Energieversorgung ein Erfolg versprechendes Konzept, um für Energieversorgungsunternehmen auch in Zukunft eine Grundlage der Wertschöpfung zu schaffen.
Autor:
Dr.-Ing. Maik Hollmann
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