Regulierungsmanagement und IT
Interview mit Manfred Diebitz, Schleupen AG für Energie Spektrum 07/05
Das Regulierungsmanagement gehört künftig zu den unverzichtbaren Funktionen eines Netzbetreibers. Im Zentrum dabei steht die Steuerung der Kommunikation mit der neuen Regulierungsbehörde. Denn die verlangt künftig eine Vielzahl an Informationen, die fristgerecht und vollständig zur Verfügung gestellt werden müssen. Das hat Folgen für die IT-Strategie der neuen Netzgesellschaften. Welche, das hat Michael Nallinger im Gespräch mit Manfred Diebitz, Direktor Marketing & Vertrieb bei der Schleupen AG, erfahren.
ES: Regulierungsmanagement ohne Unterstützung der Informationstechnologie, ist so etwas überhaupt denkbar?Antwort: Ohne Informationstechnologie wird es in keinem Falle gehen. Das ist auch die ganz klare Aussage des zuständigen Referenten der künftigen REGTP, Jörg Meyenborg. Er betonte zuletzt auf der E-world im März in Essen, dass der Informationsaustausch zwischen Marktpartnern und der REGTP – aber auch unter den Marktpartnern selbst – künftig elektronisch erfolgen wird.
ES: Reichen die Softwarelösungen, die heute bei einem Netzbetreiber im Einsatz sind, aus, oder braucht man neue Instrumente, um den Informationsbedarf der REGTP befriedigen zu können?Antwort: Die heutigen Lösungen reichen sicher nicht aus. Denn sie sind zum einen darauf ausgelegt, die Anforderungen der Netz- als auch der Lieferantenseite gleichzeitig abzubilden. Diese Anforderungen werden sich künftig durch die Entflechtung der Unternehmensteile deutlich auseinander entwickeln. Zum anderen arbeiten gerade im Netzbereich der technische und der kaufmännische Bereich oftmals noch mit völlig unterschiedlichen und kaum integrierten Systemen. Um der Regulierungsbehörde brauchbare Informationen liefern zu können, müssen diese Bereiche und vor allem auch die Prozesse zwischen diesen Bereichen jedoch integriert abgebildet werden. Es müssen beispielsweise technische Daten über Netzkomponenten wie Transformatoren oder Kabelabschnitte durchgängig, fortlaufend und revisionssicher mit kaufmännischen Daten, beispielsweise über Mengen oder Kosten, verknüpft werden. Nur so lassen sich die entsprechenden Auswertungen überhaupt erstellen.
ES: Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf bei den neuen Netzgesellschaften?Antwort: Das erste Thema heißt in vielen Unternehmen erst einmal "Integration". Dabei geht es nicht nur um einzelne Verknüpfungen etwa zwischen Rechnungswesen oder Abrechnung mit der Instandhaltung. Es müssen vielmehr durchgängige Informationsflüsse über alle Bereiche hinweg geschaffen werden. Dabei spielen auch Anwendungen für die Energielogistik oder Geoinformationssysteme eine wichtige Rolle. Beispielsweise, wenn es um das Thema "Netznutzungsanalysen" geht. Schließlich ist es künftig entscheidend zu wissen, welche Komponenten und Abschnitte im Netz welche Lasten bewältigen müssen. Die Energielogistik liefert hier beispielsweise das Datenmaterial, das man benötigt, um eine wirtschaftliche und vorausschauende Instandhaltung zu betreiben. Daneben müssen sich die Netzgesellschaften vor dem Hintergrund einer zukünftigen Anreizregulierung aber beispielsweise auch um den Aufbau kaufmännisch-technischer Controlling-Kompetenzen kümmern. Nur Netzbetreiber, die Techniken wie beispielsweise Target-Costing beherrschen, werden die Ertragsvorteile einer Anreizregulierung gezielt ausschöpfen können.
ES: Gibt es darüber hinaus weitere neue Themen, mit denen sich die Unternehmen auseinandersetzen müssen?Antwort: Solche Themen gibt es durchaus. Etwa das Thema "Compliance", das in der Energiewirtschaft noch weitestgehend ein Fremdwort ist. Compliance bezeichnet den Umgang mit regulatorischen Anforderungen. Compliance-Programme sind demnach nichts anderes als gezielte Maßnahmen für rechtskonformes Verhalten im Zusammenhang mit der Regulierung. Mit diesem Thema werden sich Energieversorger deswegen künftig intensiv auseinandersetzen müssen und derartige Programme beispielsweise in ihre Strategien für das Risikomanagement integrieren.
ES: Wo müssen die Softwareanbieter noch etwas tun, in welche Richtung müssen die Systeme ausgebaut werden?Antwort: Die heute bestehenden Systeme müssen im Sinne der Netzbetreiber in Richtung eines umfassenden "Asset Management" weiterentwickelt werden. Nur wer den Zustand und die Belastung seines Netzes tatsächlich kennt, wird künftig in der Lage sein, sein Netz auch wirtschaftlich zu betreiben. Denn egal, wie die Regulierung umgesetzt wird, etwa in Richtung Anreizregulierung, der Kostendruck wird weiter zunehmen. Vernünftige Margen wird dabei vor allem derjenige erzielen, der über eine transparente Sicht auf sein Netz verfügt. Das fängt bei der Netzplanung an und geht weiter über den gesamten Netzbau und die Instandhaltung. Aber auch auf die Beschaffung wird man künftig – wie in anderen Branchen auch – ein besonderes Augenmerk haben müssen.
ES: Bedeutet das auch, dass klassische Softwarepakete für die Energieversorgung bald ausgedient haben?Antwort: Das bedeutet es sicher nicht. Denn es gibt zum einen ja die Kernfunktionen, die auf Netz- wie auf Lieferantenseite gleichermaßen benötigt werden. Zum anderen werden sich die Lösungen ja weiterentwickeln. Wir haben beispielsweise schon im vergangenen Jahr damit begonnen, uns mit den neuen Anforderungen zu beschäftigen und entsprechende Lösungen, beispielsweise für die Netznutzungsanalyse mit Hilfe der Energielogistik, anzubieten. Als eine Erweiterung speziell für Netzbetreiber. Derartige Zusatzfunktionen wird es künftig vermehrt geben, durchaus auch abhängig davon, welchen spezifischen Informationsbedarf die Regulierungsbehörde künftig anmeldet. Entscheidend ist es unserer Ansicht nach aber auch, dass man in der Lage ist, die unterschiedlichen Anwendungen mit einem vernünftigen Aufwand zu integrieren, auch wenn sie von verschiedenen Herstellern stammen. Denn nur so kann man die Informationen aus den Systemen sinnvoll zusammenführen und nutzen. Nicht nur für den Austausch mit der REGTP, sondern als Basis für die strategische Unternehmensführung.
ES: Damit wird das das Energiedatenmanagement bzw. die Energielogistik künftig eine zentrale Rolle spielen?Antwort: Davon gehen wir aus. Denn das Energiedatenmanagement ist die zentrale Datendrehscheibe für viele der Informationen, die die Bundesnetzagentur künftig bei den Netzbetreibern abfragen wird. Beispiel der Lieferantenwechsel: hier liefert das EDM mit Hilfe des Vertragsmanagements sämtliche benötigten Informationen und sorgt für die reibungslose Abwicklung sowie für den Austausch der Daten mit dem betroffenen Lieferanten - ob das nun der eigene oder ein fremder Lieferant ist. Daneben wird über das EDM auch das komplette Zeitreihenmanagement abgewickelt. Das bedeutet, im EDM werden sämtliche Daten zu den Energieverbräuchen in der Vergangenheit und in der Zukunft verwaltet. Damit liefert es die Grundlagen für die Bilanzierung, aber im Rahmen einer Netznutzungsanalyse beispielsweise auch für die Netzplanung oder die Instandhaltung.
ES: Viele Unternehmen, vor allem die kleineren Stadtwerke, setzen hier ja noch auf handgestrickte Lösungen, beispielsweise auf Excel-Basis. Müssen die jetzt alle in EDM-Systeme investieren?Antwort: Sehr wahrscheinlich ja. Denn zum einen kann man mit einer Excel-basierten Lösung den Datenaustausch kaum so automatisiert abbilden, wie dies von der Bundesnetzagentur gefordert werden wird, etwa über EDIFACT-Nachrichten oder XML-Formate. Zum werden die Mengengerüste, die es zu verarbeiten gilt, schlichtweg zu groß. Nehmen wir einfach einmal einen mittelgroßen Verteilnetzbetreiber mit etwa 60.000 Zählpunkten. Neben der Abwicklung von monatlich rund 150 Lieferantenwechseln und rund 400 Umzügen gemäß DuM-Richtline müssen die 60.000 Zählpunkte jeden Monat bilanziert werden. Dazu kommt die monatliche Ermittlung der Mengen und Bilanzen je Lieferant, Lastprofil, Messung für ca. 20 Lieferanten über insgesamt 60.000 Zählpunkte, die jährliche Ermittlung und Abrechnung der Netznutzung für diese 20 Lieferanten (inklusive der ca. 58.000 Netznutzungsfälle des lokalen Lieferanten), sowie die jährliche Ermittlung und Abrechnung der Mehr-/Mindermengen für die fremden Lieferanten und den lokalen Lieferanten. Ohne eine Unterstützung durch ein EDM-System sind diese Prozesse kaum transparent und vor allem fristgerecht abzuarbeiten.
Das Interview führte Uwe Pagel