Der Besuch der Netzleitstelle der SWU Energie ist ein beeindruckendes Erlebnis: In einem rund 100 Quadratmeter großen Raum leuchten auf einer mächtigen Monitorwand hunderte von Linien, Symbolen und Zahlenwerten in grün, blau, gelb und rot auf. An allen Ecken blinkt es, gelegentlich ertönen akustische Alarmzeichen. Die riesige Wandanzeige und elf 20-Zoll-Flachbildschirme zeigen Schemenpläne, digitale Karten, Tabellen und Statistiken des Strom-, Trinkwasser- und Gasnetzes der SWU Energie. Von dieser "Kommandozentrale" aus steuern und überwachen die Mitarbeiter der Netzleitstelle im Drei-Schicht-Betrieb ein komplexes und weit verzweigtes Leitungssystem, das insgesamt 200.000 Menschen in der Region Ulm/Neu-Ulm mit Trinkwasser und Energie versorgt. Um diese umfassende Versorgung stets zuverlässig gewährleisten zu können, beobachtet die Netzleitstelle die hochsensible Infrastruktur rund um die Uhr und greift bei Störungen sofort ein. Doch damit nicht genug: Auch die Stromerzeugung in den SWU-Kraftwerken wird von der Leitstelle aus gesteuert.
Strom-, Trinkwasser- und Erdgasnetz im Blick
2.500 Kilometer Stromleitungen, 1.400 Kilometer Gasleitungen, 700 Kilometer Trinkwasserleitungen haben die Mitarbeiter der Leitstelle permanent im Blick und erhalten über ein ausgeklügeltes System der grafischen Datenverarbeitung (GDV) die relevanten Daten und den Status Quo der gesamten Infrastruktur. Per Mausklick lässt sich von der Leitstelle aus mit Hilfe von Datenfernübertragung jedes Umspannwerk, jede Trinkwasseranlage, viele Gasanlagen und jedes Wasserkraftwerk überwachen und zum Teil ansteuern. Steigt beispielsweise der Energiebedarf im lokalen Netz kurzfristig, so kann der Leitstellen-Techniker gezielt die Stromproduktion eines Kraftwerkes erhöhen.
Zentrales Störfall-Management
Besonders zum Tragen kommt die lückenlose Überwachung der Netze bei Störfällen. Ganz gleich, ob eine Stromleitung beispielsweise bei Bauarbeiten durch einen Bagger beschädigt wird, ob sich ein Wasserrohrbruch ereignet oder ob ein Leck im Gasnetz auftritt: Jeder Störfall läuft sofort in der Leitstelle auf. Innerhalb des Strom- und Gasnetzes wird ein Großteil der Störungen automatisch erfasst: Tritt eine Unterbrechung einer Stromverbindung bzw. ein Druckverlust in einer Gasleitung auf, so löst – wie im eigenen Haushalt – eine Sicherung aus, und das betroffene Teilstück ist "stillgelegt". Über die Rückprojektion des Netzes wird die Leitstelle alarmiert und aktiviert einen der 30 Mitarbeiter der Rufbereitschaft, der sich vor Ort um die Behebung der Störung kümmert. Nicht automatisch benachrichtigt wird die Leitstelle, wenn ein Störfall beispielsweise in der Niederspannungsebene des Stromnetzes, das heißt in der Leitung vom Verteilerschrank bis zum einzelnen Haushalt, auftritt. In diesem Fall sind die Leitstellen-Techniker darauf angewiesen, dass sie vom betroffenen Verbraucher über eine telefonische Hotline informiert werden.
SWU-Netze sind georeferenziert
Um eine Störung zu beheben, genügt es nicht, ihren Ort anhand der Schaltpläne nachzuvollziehen. Es ist unabdingbar, die genaue geografische Lage des betroffenen Teilstücks zu kennen. Aus diesem Grund hat die SWU Energie in jahrelanger aufwändiger Arbeit die Position sämtlicher Netze georeferenziert, also in einem geografischen Koordinatensystem erfasst, und zum Großteil bereits in das Betriebssystem der Netzleitstelle integriert. Auf diese Weise erhalten die Leitstellenmitarbeiter bei Bedarf die exakte räumliche Lage der Netzinfrastruktur und können im Falle einer Störungsmeldung ihre Kollegen vom Außendienst unterstützen, den gesuchten Standort rasch zu identifizieren.
Den Energiebedarf der Verbraucher im Blick
Neben der Infrastruktur hat die Netzleitstelle auch den Energiebedarf der Verbraucher imBlick und sorgt dafür, dass dieser stets gedeckt ist. Hierfür errechnet die Betriebssoftware auf Grundlage langjähriger Erfahrungswerte laufend Soll-Prognosen für die Nachfrage der nächsten 48 Stunden.
Um die benötigte Energie in ausreichender Menge bereitstellen zu können, haben die Mitarbeiter zum einen die Möglichkeit, die eigenen Kraftwerke anzusteuern und auf diese Weise Einfluss auf die produzierte Strommenge zu nehmen. Zum anderen können sie Energie aus externen Quellen beziehen. Die bereitgestellte Energiemenge aus der Eigen- und Fremdproduktion wird von den Technikern zudem fortwährend bilanziert, um so die Berechnung der Netznutzung zu ermöglichen.
Text für Info-Kästen:
Netzmanagement im Wandel der Zeit
Bis Mitte der 60er Jahre wurden das Gas-, Wasser- und Stromnetz der SWU dezentral überwacht und gesteuert. Alle Umspannwerke, Wasserkraftwerke und sonstigen Anlagen wurden von Mitarbeitern direkt vor Ort betreut. Mit Hilfe der Fernwirktechnik wurde es ab 1966 möglich, die Infrastruktur über eine zentrale Netzwarte fernzusteuern. 1982 ging mit dem Neubau des SWU-Hauptgebäudes die erste moderne Netzleitstelle in der Karlstraße in Betrieb. Die Bereitstellung der Daten brachte einen großen technischen und monetären Aufwand mit sich. Die GDV-Anlage füllte ganze Räume und 10 Megabyte Plattenspeicher kosteten damals rund 40.000 DM. 1998 wurde die Netzleitstelle für 2,4 Millionen Euro schließlich bei laufendem Betrieb (!) umgebaut und den aktuellen Anforderungen angepasst. Um die Prozessdaten- Verarbeitung stets auf dem neuesten Stand zu halten, wird die technische Ausstattung der Netzleitstelle alle 10 bis 15 Jahre grundlegend erneuert.
Netzleitstelle: HiTech und Sicherheit
Der Netzleitstelle der SWU Energie liegt ein umfangreiches und komplexes System der Prozessdaten- Verarbeitung zugrunde. Um die drei Arbeitsplätze stets aktuell mit den relevanten Informationen versorgen zu können, sind drei Leitplatzrechner, ein Betriebsrechner, zwei Datenbankrechner und zweiKuppelrechner rund um die Uhr in Betrieb. Ausfallsicherheit steht dabei an erster Stelle: Damit sich eventuelle Geräteausfälle nicht negativ auswirken, sind alle zentralen Rechner und Anlagen doppelt vorhanden.
Kraftwerke ferngesteuert
Die SWU Energie produziert einen Teil der Energie für die Region Ulm/Neu-Ulm in eigenen Kraftwerken, beispielsweise im Wasserkraftwerk Wiblingen. Bis Mitte der 60er Jahre überwachten Mitarbeiter vor Ort den Betrieb der Anlage. Heutzutage steuern die SWU-Mitarbeiter das Kraftwerk per Mausklick von der Netzleitstelle aus. Sie erhalten auf ihren Monitoren Informationen
beispielsweise über den Pegelstand der Donau direkt am Kraftwerk, über die Fallhöhe des Wassers, über den Wasserdurchlauf in Kubikmetern pro Sekunde sowie über die Leistung des Kraftwerks. Per Knopfdruck kann der Leitstellenmitarbeiter die Anlagenleistung innerhalb der Leistungsgrenzen beeinflussen und damit die zu produzierende Strommenge bestimmen.
Autor: Bruno Lukas