Am 1. Dezember 1895 beförderte die Eröffnung des ersten Ulmer Dampfkraftwerkes beim Zundeltor die Stadt ins Stromzeitalter. Damals galt es, Energie zu dort produzieren, wo sie auch genutzt wird. Nach diesem Prinzip entstanden im 19. Jahrhundert die ersten Kraftwerke in Verbrauchernähe. Diese so genannte "dezentrale Energieversorgung" erlebt seit einigen Jahren eine Wiedergeburt - auch in Ulm und Neu-Ulm. Das Konzept der Nahwärmeversorgung ist dabei besonders umweltfreundlich: Hierfür sorgen kurze Leitungswege, die Energieverluste minimieren, und moderne, emissionsarme, häufig in Kraft-Wärme-Kopplung betriebene Kraftwerke mit einem hohen Wirkungsgrad.
Vor 15 Jahren begann die SWU Energie als Ergänzung zur Fernversorgung die ersten dezentralen Nahwärmeversorgungs-Anlagen zu etablieren. Hierzu gehört heute beispielsweise das Blockheizkraftwerk (BHKW) Neu-Ulm oder die Holzpellet-Heizanlage auf dem Ulmer Eselsberg. Die dezentralen Anlagen erzielen durch modernste Techniken einen hohen Energie-Verwertungsgrad, beziehen ihre Energie zum Teil aus regenerativen Quellen und reduzieren besonders CO2-Emissionen maßgeblich. Die wichtigste Form dezentraler Energieversorgung sind Blockheizkraftwerke, die durch Kraft-Wärme-Kopplung bei der Stromerzeugung entstehende Abwärme nicht als "Abfallprodukt" entweichen lassen, sondern in das Wärmenetz einspeisen. So wird die im BHKW produzierte Energie doppelt genutzt. Während konventionelle, zentrale Großkraftwerke nur ein Drittel bis zur Hälfte der eingesetzten Brennstoffe in nutzbringende Energie umsetzen, und die Abwärme über Kühltürme oder Kühlwasser an die Umwelt abgeben, wird in BHKW beinahe die gesamte erzeugte Energie genutzt. Damit erreichen BHKW einen Gesamtwirkungsgrad von 85 bis zu 90 Prozent. Zudem lässt sich Wärme nur sehr begrenzt über größere Entfernungen transportieren: Auch hier sind ist die dezentrale Energieversorgung aufgrund sehr kurzer Leitungswege im Vergleich zur Fernversorgung klar im Vorteil.
Ein Blockheizkraftwerk ist eine kompakte Einheit, bestehend aus einem mit Erdgas betriebenen Otto-Verbrennungsmotor, einem Generator und Wärmetauschern. Zur Stromerzeugung treibt der Motor den Generator an. Die Abwärme des Motors wird zur weiteren Nutzung ausgekoppelt und Katalysatoren sorgen für die Senkung der Abgas-Werte. Durch die Kraft-Wärme-Kopplung erreicht das BHKW nicht nur einen hohen Gesamtwirkungsgrad, es arbeitet auch besonders klimaschonend: Das Kraftwerk spart so bis zu 50 Prozent CO2-Emissionen ein. Auch die sonstigen Emissionen sind geringer, als es die vom Gesetzgeber in der "Technischen Anleitung Luft" festgelegten Grenzwerte vorschreiben.
Der Einsatz der dezentralen Energieversorgung lohnt sich in Gebieten, die auf einer relativ geringen kleinen und räumlich kompakten Fläche einen hohen Wärmebedarf haben. Bei Wohnanlagen zahlt sich die Nahwärmeversorgung aus, wenn diese mindestens aus zwei bis drei zusammenhängenden mehrgeschossigen Gebäudeeinheiten mit 50 bis 60 Einzelwohnungen bestehen. Sehr gut geeignet sind auch Krankenhäuser und Schwimmbäder, die einen hohen und gleichmäßig über das Jahr verteilten Wärmebedarf haben. Beispielsweise für das Erlebnis-Freizeitbad Atlantis in Neu-Ulm hat die SWU Energie ein eigenes BHKW errichtet, das in Kombination mit einem Drei-Megawatt-Heizkessel die Wärmeversorgung der Anlage sicherstellt. Aufgrund der hohen Investitionskosten eines BHKW wird das Kraftwerk grundsätzlich immer in Verbindung mit einem gasbetriebenen Heizkessel gebaut. Mit ungefähr 70 Prozent Anteil an der Gesamtversorgung stellt das BHKW die Energie für den Grundbedarf bereit. Der Heizkessel, der kurzfristig zu- und wieder abgeschaltet werden kann, deckt mit 30 Prozent Anteil den zusätzlichen Bedarf in Spitzenzeiten ab. Auf diese Weise kann die Anlage kostenoptimal betrieben werden.
Durch die geringen Wärmeverluste, den hohen Wirkungsgrad und die geringen Emissionen stellen dezentrale Blockheizkraftwerke eine besonders klimafreundliche und umweltschonende Art der Energieversorgung dar. In Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm versorgt die SWU Energie im Rahmen ökologischer Stadtentwicklungskonzepte einzelne neue Wohngebiete mit BHKW in Verbindung mit Heizkesseln oder emissionsfreien Solarkollektoren. In Ulm-Jungingen etwa betreiben die Stadtwerke eine solargestützte BHKW-Anlage, die ein Wohngebiet mit 105 Einfamilienhäusern mit Wärme beliefert. Jedoch nicht nur in Neubaugebieten lohnt sich der Einsatz: Im Rahmen der Sanierung und städtebaulichen Erneuerung der Ulmer Weststadt setzt die SWU Energie in einem Pilotvorhaben ein BHKW bei der Versorgung von drei sanierten Wohnkomplexen ein, und trägt so zur nachhaltigen ökologischen Stadtentwicklung bei.
Um das einwandfreie Funktionieren der Kraftwerke jederzeit gewährleisten zu können, überprüfen und überholen Techniker der SWU Energie die BHKW in regelmäßigen Abständen und wechseln beispielsweise die Zündkerzen der Gasmotoren aus oder stellen Ventile ein. Über eine EDV-Standleitung überwacht die SWU Energie die Anlagen zudem von der zentralen Netzleitstelle aus, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. Eventuelle Störungen werden somit in kürzester Zeit erkannt und behoben.
Förderung dezentraler Nahwärmekonzepte
Der Anteil der dezentralen Energieversorgung an der Gesamtversorgung nimmt bei der SWU Energie zur Zeit circa 15 Prozent ein – Tendenz steigend. Mit Beteiligungen an der Ulmer Brennstoffzellen-Manufaktur, am FUG-Biomasse-Heizkraftwerk und an der Solarstiftung Ulm/Neu-Ulm setzen die Stadtwerke jedoch auch über eigene Projekte hinaus auf umweltfreundliche Energiegewinnung. Zudem arbeitet die SWU Energie im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung mit der Stadt Ulm eng zusammen: Zum einen werden neue Anlagen in städtischen Konzepten für ökologische Baugebiete gemeinsam geplant. Zum anderen weist die Stadt Ulm bestimmte Neubaugebiete als Vorranggebiete für Nahwärmeversorgung aus und fördert so den Bau dezentraler Kraftwerke.
Emissionsrechte-Handel
Ziel des Emissionshandels ist es, in Deutschland die Gesamtmenge der zulässigen Kohlendioxid-Gase zu erfassen und schrittweise zu senken. Dazu werden so genannte Emissionszertifikate vergeben. Das sind "Gutschriften", die dazu berechtigen, eine festgelegte Menge an CO2 Kohlendioxid zu emittieren. Auch die SWU Energie hat solche Zertifikate für ihr größtes Heizkraftwerk in der Neu-Ulmer Bradleystraße erhalten. Aufgrund der besonders emissionsarmen Energieerzeugung in diesem Kraftwerk wurden den Stadtwerken mehr Zertifikate zugeteilt als für den Betrieb notwendig sind. Überschüssige Zertifikate können europaweit verkauft werden, beispielsweise an andere Kraftwerksbetreiber oder auf einer speziellen Börse.
Solargestützte Nahwärme in Ulm-Jungingen
In Ulm-Jungingen betreibt die SWU Energie im Rahmen eines städtischen Konzepts für ökologisches Bauen eine umweltschonende Nahwärme-versorgung. Ein 65 Kilowatt-BHKW mit einem angeschlossenem 540 Kilowatt-Brennwertkessel und einer zusätzlichen Solaranlage mit 150 m2 Kollektorfläche erzeugt 450.000 Kilowatt-Stunden Strom und 795.000 Kilowatt-Stunden Wärme pro Jahr. Die Anlage versorgt insgesamt 105 Haushalte mit Nahwärme und deckt den Warmwasserbedarf der Haushalte im Sommer größtenteils durch die Solaranlage. Durch die ökologische Kraft-Wärme-Kopplung und die emissionsfreie Solaranlage werden jährlich mehr als 220 Tonnen Kohlendioxid eingespart.