"Onser Schdrom hat koi Farb" – mit diesem Slogan hat die SWU-Tochter Energie Plus schon früh deutlich gemacht, dass es in Ulm und Neu-Ulm eine echte Alternative zu den anderen Stromanbietern im liberalisierten Strommarkt gibt. Doch die Liberalisierung bedeutet nicht nur, dass die Kunden den Stromanbieter frei wählen können. Sie hat zur Folge, dass es das "Stadtwerk", wie man es bisher kannte, künftig nicht mehr geben wird. Die SWU hat frühzeitig auf diese Herausforderung reagiert. Sie ist deswegen schon seit längerem kein Stadtwerk im klassischen Sinne mehr, sondern besteht aus einer ganzen Reihe von Einzelunternehmen. Gleich drei davon befassen sich mit dem Thema "Energie". Und das ist eine direkte Folge der Liberalisierung.
Mehr Wettbewerb! Das war das erklärte Ziel, als die EU in den 90er Jahren daranging, nach der Telekommunikation auch die Energiemärkte in Europa zu liberalisieren. Das Problem: Wie kann in einem freien Markt garantiert werden, dass die Versorgung mit Energie sichergestellt bleibt. Denn Strom-, Gas- oder Wassernetze zu betreiben, kostet viel Aufwand und Geld (siehe z.B. SWU-Fakten "Der Strom kommt aus der Steckdose ... selbstverständlich"). Diese Netze den Kräften eines freien Marktes vollständig auszuliefern, kam deswegen nicht in Frage. Zu groß war das Risiko, dass die Versorgungssicherheit gefährdet werden könnte, wenn einzelne Unternehmen die Instandhaltung des Netzes zu Gunsten höherer Profite vernachlässigen. Die Lösung für das Problem hieß schließlich "Unbundling", zu Deutsch: "Entflechtung" der Unternehmen. Ein Bereich des Unternehmens, der "Stromvertrieb", sollte danach künftig eigenständig und im freien Wettbewerb mit anderen Anbietern für preisgünstigen Strom und Gas sorgen. Der Bereich "Netzbetrieb" dagegen wurde dem "regulierten" Teil des Marktes zugeordnet, um so den "langfristig angelegten, leistungsfähigen und zuverlässigen Betrieb von Energieversorgungsnetzen" zu sichern (Energiewirtschaftsgesetz). Die Bereiche für den Stromvertrieb und für den Unterhalt der Netze mussten deswegen organisatorisch getrennt werden. Am Beispiel der SWU wird deutlich, wie das funktioniert.
Energie Plus – der "Energielieferant" der SWU
Die Energie Plus ist der Energie-"Verkäufer" in der SWU-Unternehmensgruppe, bewegt sich also im "freien" Bereich des Marktes. Sie hat sich dort mit ihren Produkten "SchwabenStrom" und "SchwabenGas", aber auch mit neuartigen Angeboten wie der "SchwabenCard" erfolgreich etabliert. Rund 70.000 Kunden beziehen inzwischen Strom von der Energie Plus, etliche davon außerhalb des SWU-Netzes. Der Strom wird damit auch über das Netz anderer Stadtwerke an die Kunden geliefert. Bezahlt wird das mit den so genannten "Netznutzungsentgelten", die je nach Menge des gelieferten Stroms abgerechnet werden. Der gelieferte Strom stammt zum einen aus den Wasserkraftwerken der SWU Energie. Zum anderen beschafft die Energie Plus diesen Strom auch auf dem freien Markt – also an der Börse und bei Stromhändlern – um ihren Kunden so möglichst gute Konditionen anbieten zu können. Gegründet wurde die Energie Plus schon 1999, gleich zu Beginn der Liberalisierung des Strommarktes. Und damit lange bevor das Unbundling in diesem Jahr endgültig gesetzlich geregelt wird.
SWU Netze – der "Netzbetreiber" der SWU
Bewegt sich die Energie Plus auf dem freien Markt, agiert die SWU Netze als Netzbetreiber im regulierten Teil des Marktes. Sie ist dafür zuständig, den Betrieb des Strom-, Gas- und Wassernetzes der SWU in Ulm und Neu-Ulm zu "managen" und hat diese Netze deswegen bei der SWU Energie gepachtet. Sie ist damit gleichzeitig der Ansprechpartner für die neue Regulierungsbehörde und berechnet auch die Netznutzungsentgelte für alle Stromanbieter, die in das SWU-Netz liefern. Dabei muss sie übrigens vom eigenen Schwesterunternehmen Energie Plus die gleichen Entgelte verlangen wie von allen anderen Anbietern und darf die Schwester auch sonst nicht bevorzugen – muss also "diskriminierungsfrei" agieren, wie es der Gesetzgeber ausdrückt.
SWU Energie – der Produzent und Dienstleister
Um Strom verkaufen zu können, muss er erst einmal produziert werden. Bei der SWU übernimmt diese Rolle die SWU Energie. Daneben ist sie zwar formal die Muttergesellschaft von Energie Plus und SWU Netze, sie entwickelt sich aber zunehmend auch zum Dienstleister für die Töchter – beispielsweise, was die Instandhaltung der Netze angeht.
Neben Lieferanten, Netzbetreibern und Produzenten gibt es noch weitere Rollen im Energiemarkt. Etwa die Betreiber der großen Übertragungs-, also der Hochspannungsnetze, wie EnBW oder E.ON. Und auch einen Großhandel gibt es, der im großen Stil Energie an- und wieder verkauft. All diese Parteien beeinflussen die Entwicklungen auf dem Markt und vor allem auch die Preise. Deswegen werden sich sicherlich auch die Unternehmen der SWU Unternehmensgruppe stetig weiterentwickeln, sich dem Wettbewerb stellen, und das gerade auch im Sinne der Region Ulm/Neu-Ulm.
Die Liberalisierung und der Strompreis
Vor der Liberalisierung war die Preisbildung vergleichsweise einfach. Es gab feste Lieferverträge mit den Produzenten, und auch intern war die Basis für die Kalkulation weitgehend klar. Anschließend musste der Preis noch von der zuständigen Landesbehörde genehmigt werden – das war es. Heute bestimmen viele Faktoren den Strompreis: die Netznutzungsentgelte der SWU Netze und anderer Netzbetreiber, die Tageskurse an der Leipziger Energiebörse EEX, aber auch ein Mix von kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Lieferverträgen. Um hier bestmögliche Konditionen bieten zu können, gilt es vor allem, die Beschaffung zu optimieren. Dafür hat die Energie Plus moderne Softwareinstrumente im Einsatz, die dabei helfen, den Strom zu den jeweils günstigsten Konditionen einzukaufen.
Die Regulierungsbehörde
Die Aufsicht über den "regulierten" Teil des Marktes – und damit auch über den Netzbetreiber SWU Netze – übernimmt im Sommer dieses Jahres die neue Regulierungsbehörde REGTP in Bonn. Sie soll zum einen dafür sorgen, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird. Gleichzeitig überwacht sie aber auch die Preisbildung bei den Netznutzungsentgelten, um eine "preisgünstige und verbraucherfreundliche" Energieversorgung sicherzustellen. So steht es im neuen Energiewirtschaftsgesetz.
Unbundling
Unbundling, also die Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen, ist einer der Kernpunkte der Liberalisierung. Die Unternehmen müssen sich buchhalterisch, organisatorisch und informatorisch, ab einer bestimmten Größe aber auch gesellschaftsrechtlich entflechten. Das bedeutet, Stromvertrieb und Netzbetrieb müssen in eigenständige Bereiche oder Unternehmen umgewandelt werden, die sich gegenseitig nicht bevorzugen dürfen, also das jeweilige Schwesterunternehmen genauso behandeln müssen, wie alle anderen Unternehmen im Energiemarkt. Durch die Gründung der SWU Netze zu Beginn des Jahres 2005 ist diese Entflechtung innerhalb der SWU Unternehmensgruppe schon weitestgehend umgesetzt. Je nachdem, wie die endgültigen Vorgaben des Gesetzgebers im Sommer 2005 aussehen werden, kann auf dieser Basis eine weitergehende Entflechtung problemlos vollzogen werden.
Autor: Uwe Pagel