Schwanger mit 15 - Ohne Ausbildung - Chancenlos?
Bildungsträger fakt.ori in Ulm hat mit seinem Ausbildungsprogramm für junge Mütter großen Erfolg.
Alleinerziehend (18 Jahre) mit 2jähriger Tochter, ohne familiären Rückhalt, Hauptschulabschluss, abgebrochene Lehre – ist der soziale Abstieg vorprogrammiert? Sandra* zeigt, dass es mit der entsprechenden Unterstützung auch anders geht. Die junge Frau nimmt seit zwei Jahren an einem speziell auf junge Mütter zugeschnittenem Ausbildungsprogramm teil, und hofft so für sich und ihre Tochter eine Grundlage für die Zukunft zu schaffen. Sandra ist eine von 16 jungen Müttern, die finanziell durch die Bundesagentur für Arbeit Ulm gefördert werden und mit Unterstützung des Bildungsinstituts fakt.ori einen anerkannten Ausbildungsberuf in Teilzeit erlernen. Sandra wird in einem großen Betrieb zur Verkäuferin ausgebildet und hätte ohne die in Baden-Württemberg nur in Ulm und Heilbronn angebotene Fördermaßnahme keine Chance auf dem angespannten Lehrstellenmarkt gehabt.
Nachdem sie selbst versucht hatte eine Lehrstelle zu finden und dabei gescheitert war, kam sie durch ihren Berufsberater zu fakt.ori. Wie die anderen Azubis ohne Kinder, die Verkäuferinnen werden möchten, geht Sandra täglich in ihren Ausbildungsbetrieb und besucht zwei Mal in der Woche die Berufsschule, um mit den theoretischen Grundlagen vertraut zu werden. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf.
"Ich stehe morgens vor 6 Uhr auf, bringe meine Tochter zum Hort und bin um 8 Uhr bei der Arbeit", erzählt Sandra. "Dann arbeite ich bis 14 Uhr, und muss mich schon wieder beeilen, damit ich meine Tochter rechtzeitig gegen 16 Uhr im Hort abholen kann."
Statt Shopping, Ausgehen und Freunde treffen, muss sich die junge Frau um ihre Tochter kümmern, den ganz normalen Haushalt führen, zusätzliche Aufgaben, wie z. B. Arztbesuche übernehmen, den Berufsschulstoff vertiefen und sich auf Klassenarbeiten vorbereiten. Eine Vielfalt von Aufgaben die sie nur dadurch bewältigen kann, dass ihre Gesamtausbildungszeit um ca. ein Jahr verlängert wurde, wodurch sich ihre wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 30 Stunden reduziert.
Aber damit sind leider bei weitem noch nicht alle Probleme der jungen Mutter gelöst. Viele der Frauen haben große Probleme ausreichende Betreuungsanbebote für ihre (Klein)Kinder zu finden. Kindergärten haben keine durchgehenden und zu kurze Öffnungszeiten, Hortplätze sind immer noch Mangelware und in manchen Stadtteilen überhaupt nicht vorhanden.
Einige der Frauen sind Aussiedlerinnen oder Ausländerinnen, die zusätzliche Schwierigkeiten mit der Integration und der deutschen Sprache haben. Viele der Frauen haben keinen Partner oder Eltern, die sie unterstützen, und bei manchen der Mütter ist eine gezielte schulische Förderung nötig, um die Anforderungen der Berufsschule erfüllen zu können. Für all diese Probleme sind Martina Thiel und Christina Schröder von fakt.ori Ansprechpartner für Sandra und ihre Kolleginnen. Gemeinsam mit den Frauen suchen sie Ausbildungsbetriebe, die bereit sind auf die besonderen Erfordernisse der Frauen einzugehen. Sie sind bei der Organisation der Kinderbetreuung behilflich, helfen bei Schwierigkeiten mit Berufsschule oder Betrieb und machen Mut, wenn Sandra oder eine ihrer Kolleginnen kurz davor sind aufzugeben.
Und Erfolge zeichnen sich bei dem seit zwei Jahren laufenden Projekt ab. Die betriebliche Ausbildung wird von den Betrieben und den Auszubildenden insgesamt positiv bewertet. Anfängliche Bedenken mancher Betriebe wegen der besonderen Situation der jungen Mütter haben sich weitgehend zerstreut. Viele der Betriebe loben die Frauen wegen ihrer besonderen Motivation, hohen Belastbarkeit und Selbständigkeit.
Sandra ist auf dem richtigen Weg. "Ich und meine Kleine, wir schaffen das!" sagt Sandra uns zum Schluss. Sie ist überzeugt, dass sie und ihre Tochter eine Chance für die Zukunft bekommen haben, die sie sich nicht entgehen lassen wird.
* Name von der Redaktion geändert
Artikel zum Programm für Junge Mütter des Bildungsträgers fakt.ori in Ulm
Autorinnen: Katharina Widenhorn-Müller, Cécile Eichele, Andrea Löhlein, Heike Bek
Der Beitrag entstand im Rahmen des Kurses Public Relations im Traineeprogramm für Akademikerinnen nach der Familienpause (Dozent: Uwe Pagel, Press´n´Relations)..