Sich in den Anwender hineinversetzen
Interview für IT-Mittelstand 12/03
Als Automobilzulieferer steht die Dr. Schneider Kunststoffwerke GmbH & Co. KG noch mehr als andere Unternehmen unter dem Druck, sämtliche Abläufe im Unternehmen möglichst rationell und effizient zu organisieren. Das begann schon Mitte der 80er Jahre mit der Einführung der ersten Lösung für die Datenfernverarbeitung, mit der man damals das Problem der Papierflut bei den Lieferabrufen in den Griff bekam. Und das setzte sich fort mit der Einführung einer neuen Lösung für die elektronische Archivierung und das Dokumenten Management im vergangenen Jahr. Dabei wurde das System konsequent in alle Unternehmensprozesse eingebunden, von der Entwicklung bis hin zur Administration. Worauf es dabei besonders ankam, erfuhr IT-Mittelstand von IT-Leiter Michael Bär und Geschäftsführer Wilhelm Wirth:
Als Automobilzulieferer haben Sie ganz spezielle Anforderungen zu bewältigen. Wie hilft Ihnen die IT bei der Umsetzung dieser Anforderungen?
Wirth: Organisatorisch kommt es in erster Linie darauf an, dass unsere Prozesse sehr lean und überschaubar ablaufen, denn wir werden - und das ist ja der Fluch unserer Branche - gewissermaßen geknechtet von den OEMs oder heute auch vom Systemlieferanten und haben so einen wahnsinnigen Margen-Druck. Da können wir uns keinen großen Overhead und keine riesigen Personalressourcen leisten. Deswegen setzen wir IT in erster Linie dazu ein, unsere Prozesse sehr einfach und sehr effizient zu gestalten. So konnten wir auch das Wachstum der letzten Jahre ohne wesentlichen Ausbau unserer Administration bewältigen.
Bär: Technisch gesehen kommt es uns zunächst einmal auch auf die Verfügbarkeit an. Dass die Systeme, angefangen vom Netzwerk über die Rechner draußen vor Ort bis zum Backend, den Servern ohne Ausfälle zur Verfügung stehen und im Fehlerfalle durch Redundanz oder Wartungsverträge dann sehr schnell wieder zur Verfügung stehen.
Geschäftsprozesse rationell gestalten, das ist ja besonders bei den Prozessen wichtig, die quer durch das Unternehmen laufen. Mit welchen Werkzeugen wickeln Sie diese Prozesse ab?
Bär: Bei den strategischen Systemen setzen wir im kaufmännischen Bereich auf SAP R/3 und in der Produktion und Logistik auf die Automotive-Lösung von Brain bzw. heute Agilsys. Für die Kommunikation, also für die weichen Daten, nutzen wir Lotus Notes. Deswegen haben wir bereits bei der Auswahl der DMS-Lösung darauf geachtet, dass sich ein Produkt wie InfoStore mit allen anderen Systemen, die wir im Einsatz haben, versteht.
Gerade in Sachen Dokumenten Management sind Sie ja keine Anfänger. Was war der Grund, hier das Pferd zu wechseln und eine neue Lösung wie InfoStore einzuführen?
Wirth: Wir sind in unserer Branche schon immer mit Papier überfrachtet worden. Schon Mitte der 80er Jahre, als wir mit der EDV begonnen haben, stand mit der elektronischen Abwicklung der Lieferabrufe ein Thema im Mittelpunkt: dieser Papierflut Herr zu werden. Und deswegen haben wir uns auch schon 1997 mit dem Thema DMS befasst und eine entsprechende Lösung eingeführt. Allerdings ließ dieses System in Sachen Anwendung und Benutzerfreundlichkeit sehr zu wünschen übrig, weshalb wir im vergangenen Jahr mit InfoStore eine neue Lösung eingeführt haben. Die Gründe, die letztendlich zu dieser Entscheidung geführt haben, waren vor allem auch die Integrationsfähigkeit zu den vorhandenen Systemen und die Unterstützung der IBM iSeries als Serverplattform.
Wie Sie das hier schildern, klingt das, als ob die Chefetage bei Ihnen sehr viel mitredet bei IT-Entscheidungen ...
Wirth: Das hängt damit zusammen, dass die Chefetage auch schon 1985 die EDV hier eingeführt hat. Daher sicher auch mein Faible für dieses Thema. Aber wenn man erfolgreich im Markt bestehen will, halte ich es auch ganz unabhängig davon für sehr wichtig, dass man sich in der Chefetage Gedanken darüber macht, wie man eine vernünftige EDV-Strategie gestalten kann - vor allem auch mittel- und langfristig. Denn das Ganze ist nicht gerade billig und es gibt ja den dummen Spruch: Am Sichersten richtet man seine Firma mit der EDV zugrunde. Deswegen muss die EDV-Strategie formuliert und auch als Strategie im Unternehmen kommuniziert werden.
Zurück zum Thema DMS: Wo sehen Sie die größten Potenziale für eine Effizienzsteigerung, die mit Hilfe einer DMS-Lösung erschlossen werden kann?
Wirth: Trotz aller elektronischen Medien gibt es nach wie vor zahlreiche Prozesse, bei denen Unmengen von Papier erzeugt werden. Daneben gibt es aber auch bereits
sehr viele elektronische Informationen. Die Kunst ist es nun, diese ganze Informationsflut, die über uns hereinbricht und der wir uns nicht verwehren können, so intelligent zu organisieren, dass der jeweilige Benutzer am Arbeitsplatz relativ schnell, einfach und mit möglichst wenigen Mitteln direkt und gezielt auf Informationen zugreifen kann. Das gilt nicht nur für den kaufmännischen Bereich oder die Personalabteilung, wo mit solchen Systemen schon effektiv gearbeitet wird. Das gilt beispielsweise auch für die Entwicklung. Wenn man wie wir hier sehr stark die Spezifikationen unserer Kunden berücksichtigen müssen, entstehen ganze Wälzer von Dokumentationen, in denen sich der einzelne Entwickler schnell und ganz gezielt zurechtfinden muss. Dass der Mitarbeiter hier ins Archiv geht und aufwändig nach Informationen sucht, das bekommen wir von unseren Kunden nicht mehr bezahlt. Ein ganz anderes Beispiel: Hier in der Zentrale in Kronach laufen alle Dokumente von 15 Firmen innerhalb der Unternehmensgruppe zusammen. Von den Gesellschaftsverträgen über die Protokolle aus Gesellschafterversammlungen bis hin zu allen wichtigen Verträgen mit Notaren, Anwälten oder auch Kreditversicherungsverträge. Hier ist es ein ganz wichtiges Ziel, auch in Hinsicht auf die Reproduzierbarkeit der Historie des Unternehmens, diese Dinge zusammenzuführen und elektronisch zu archivieren. Denn da gibt es viel Papier, was heute noch in Ordnern rumfliegt.
War die Einführung des Systems vor diesem Hintergrund sehr aufwändig oder lief sie einigermaßen reibungslos?
Bär: Man muss hier ganz klar sehen, dass das DMS viele Systeme im Haus betrifft. Die eigentliche Einführung und die Übernahme der Daten aus dem Alt-Archiv lief sehr einfach und mit relativ wenig Aufwand. Etwas aufwändiger gestaltete sich dann natürlich die Integration mit den anderen Lösungen und auf den Frontends. Aber auch hier hat unser Implementierungspartner, die SoftM Communications GmbH, eine sehr gute Arbeit geleistet, und die Dinge laufen auch hier inzwischen reibungslos.
Wie sehen die Erfahrungen im laufenden Betrieb aus? Können Sie effizient arbeiten mit der IT, oder macht sie Ihnen Arbeit?
Bär: Wir arbeiten mit dem DMS System, es läuft einfach im Hintergrund. Es ist da, wenn man den Beleg braucht. In der Logistik beispielsweise haben wir das vor drei Monaten und kurz vor der Urlaubszeit implementiert. Das waren zwei Tage Dienstleistung und seitdem höre ich nichts mehr davon. Sicher ist dies auch der Plattform iSeries zu verdanken.
IT-Lösungen müssen sich rechnen, speziell in einer Branche wie der Ihren. Wie sieht das speziell im Bereich des Dokumenten Managements aus?
Wirth: Es ist immer schwierig, bei der Einführung von irgendeiner Software eine Wirtschaftlichkeitsrechnung anzustellen. Also zu sagen - und leider Gottes ist das ja bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen immer so - mit dieser Lösung haben wir soundsoviele Mitarbeiter eingespart. Das kann ich ihnen so nicht vorrechnen. Aber wir haben das gesamte Wachstum, das wir in den letzten Jahren hingelegt haben, mit einer Mannschaft in der Administration umgesetzt, die nicht proportional zum Umsatz gewachsen ist. Dazu hat die EDV und natürlich auch das neue Dokumenten Management wesentlich beigetragen. Deswegen habe ich ein gutes Gefühl, dass sich das, was wir IT-mäßig unternommen haben, auch wirklich rechnet.
Was würden Sie vor diesem Hintergrund einem Kollegen empfehlen, der jetzt vor der Auswahl eines neuen DMS-Systems steht?
Wirth: Aus organisatorischer Sicht sollte man sich erst einmal grundsätzlich Gedanken zu den Abläufen machen, wie man sie EDV-technisch abwickeln möchte oder ob man grundsätzlich EDV dafür braucht. Speziell beim Thema Dokumenten Management ist es jedoch so, dass man heutzutage ja mit Informationen geradezu erschlagen wird. Am Wichtigsten ist es deswegen, sich hier in die Haut des jeweiligen Anwenders hineinzuversetzen und sich zu fragen: Auf was kommt es demjenigen denn jetzt besonders an? Wo muss er gezielt zugreifen, wie schnell kann er oder muss er eine bestimmte Information erhalten, damit er mit seiner operativen Tätigkeit weiterkommt. Nichts Schlimmeres, als wenn er am Ende das System ausschaltet und doch an den Aktenschrank läuft, um die Information zu bekommen. Die Benutzerfreundlichkeit muss aus meiner Sicht speziell auch bei DMS-Lösungen deswegen im Vordergrund stehen.
Das Interview führte Uwe Pagel