In Sachen Energiedatenmanagement (EDM)
gehört die Lausitzer Braunkohle AG LAUBAG
zu den absoluten Vorreitern unter den
industriellen Anwendern. Seit 1997 ist dort mit
ZEMS, dem Zentralen
Energiemanagement-System, eine Lösung
im Einsatz, mit der Einsparungen von bis zu
15 Prozent der Leistungskosten erreicht
werden konnten. Das Hauptmotiv für die
Einführung einer solchen Lösung, die
zusammen mit dem Senftenberger
EDM-Spezialisten AKTIF Technology
entwickelt wurde, war nicht etwa die
Liberalisierung des Energiemarkts, denn die
war 1997 erst vage absehbar. Es ging
vielmehr darum, den Energiekostenanteil bei
der Braunkohleproduktion deutlich zu senken,
und damit auch den Preis für diesen fossilen
Energieträger, der ja immer wieder für
Diskussionen sorgt.
600 Meter lang, 70 Meter hoch, die
Abraumförderbrücke F60, mit der der Abraum
gleich nach dem Abbau wieder aufgeschüttet
wird, ist ein wahrer Gigant. Mit den
angeschlossenen drei Eimerketten-Baggern
bringt sie insgesamt 28.000 Tonnen auf die
Waage. Zusammen räumt der Geräteverbund,
der sich auf 1.300 Rädern mit einer
Geschwindigkeit von 6 Metern pro Minute
vorwärts bewegt, die letzten 60 Meter des
sogenannten Deckgebirges über dem
eigentlichen Braunkohle-Flöz ab. Nicht nur die
Maschinen der LAUBAG sind riesig, auch der
Strombedarf im Braunkohleabbau hat es in
sich: 1.100 Gigawattstunden im Jahr bei
Leistungsspitzen von 230 Megawatt. Ein
derartiger Energieverbrauch bietet wahrlich
ausreichend Potential, um mit einem
intelligenten Energiemanagement deutliche
Einsparungen erzielen zu können. Allein der
Tagebau, die Förderbrücken und die nicht
weniger imposanten Bagger, verschlingen 70
Prozent dieser Energiemenge. Weitere 24
Prozent des Verbrauchs gehen auf Konto der
Pumpen für die Grundwasserabsenkung im
Vorfeld des Abbaus. Denn die zwischen 8 und
15 Meter dicken Braunkohle-Flöze liegen bis
zu 100 Meter tief. Das Grundwasser muss
also deutlich abgesenkt werden, bevor man
an den Abbau gehen kann.
Fünf aktive Tagebaue betreibt die LAUBAG
westlich der Neisse und an der Spree.
Versorgt werden sie über ein 110 kV-Netz, das
über verschiedene Umspannwerke aus dem
Netz des übergeordneten Energieversorgers
gespeist wird. Der Energieverbrauch wird
direkt an den fünf Umspannwerken ermittelt
und zeitgleich verrechnet. Bislang geschah
das auf Grundlage eines
Summenliefervertrags für die LAUBAG,
aufgeteilt in einen Arbeits- und in einen
Leistungspreis für die elektrische Energie. Bei
diesem Vertrag wird die so genannte
Maximalleistungsinanspruchnahme, also die
Höhe des Energieverbrauchs als zeitgleiche
Summe der fünf Einspeisestellen verrechnet.
Ziel bei der Einführung des
Energiemanagements war es, die
Maximalinanspruchnahme und damit die
Kosten für die Leistung möglichst niedrig zu
halten und darüber hinaus den
Leistungsverlauf zu glätten.
Um den Verbrauch effizient steuern zu
können, wurde das
Energiedatenmanagement als eine Art
Frühwarn-System aufgesetzt. Die Software
reagiert schon dann, wenn die integrierte
Trendberechnung der Viertelstundenleistung
eine gefährliche Entwicklung in Richtung
Maximalinanspruchnahme ermittelt. Nur so ist
es möglich, ungewollte Leistungsspitzen
durch rechtzeitiges – und nur bis zum Ende
der jeweiligen Viertelstunde begrenztes -
Abschalten von Anlagen zu vermeiden.
Die einzelnen Leistungen werden lokal an
den verschiedenen Standorten minütlich
erfasst und an drei zentrale Server übermittelt,
die an den größten Standorten in Cottbus,
Nochten und Welzow installiert sind. Alle drei
Systeme, die auf Basis HP-UX und einer
Oracle-Datenbank arbeiten, sind identisch
ausgelegt und arbeiten vollständig redundant.
So kann selbst bei Ausfall eines der Systeme
eine weitere Hochrechung auf Basis der
letzen Werte erfolgen. Das zentrale
Energiemanagementsystem ZEMS überwacht
die Entwicklung der Leistungshöhe und
rechnet die Minutenwerte jeweils aktuell auf
den Viertelstundenwert hoch - und damit auf
das Zeitraster des normalen Lastgangs, der
der Verbrauchsabrechnung zugrunde liegt.
Entwickelt sich der Verbrauch nun ungünstig,
d.h. in Richtung Maximalinanspruchnahme,
reagiert das System sofort, die
Verantwortlichen können damit schon vor
Erreichen des nächsten Viertelstundenwerts
reagieren. Optisch wird die
Abschaltempfehlung durch ein Blinksignal
signalisiert, gleichzeitig werden auf dem
Bildschirm Informationen über die Höhe der
notwendigen Abschaltleistung angezeigt. Je
nach den aktuellen Erfordernissen im
Tagebau wird dann die Abschaltung einzelner
Maschinen eingeleitet - vom jeweils
zuständigen der drei Verantwortlichen, die im
Rotationsprinzip nach einem festen
Einsatzplan arbeiten. Wird in einem solchen
Fall beispielsweise die Abraumförderbrücke
F60 abgeschaltet, sind auf einen Schlag 25
Megawatt vom Netz, einer der Bagger für den
Vorschnitt, also für das Abräumen der oberen
40 Meter, bringt es immerhin noch auf 13
Megawatt.
Im Braunkohletagebaues ist der
Geräteeinsatz und die –belastung stark
abhängig von den zu fördernden Mengen
Abraum und Kohle je Zeiteinheit. Das war
eine wesentliche Grundlage für den Erfolg.
Denn dadurch kann gezielt gesteuert werden,
dass die Leistungsspitzen an den einzelnen
Standorten nicht zusammenfallen und sich
damit möglicherweise addieren. Mit einem
vorausschauenden Management war es so
schnell möglich, eine relativ gleichmäßige
Leistungsskurve zu erzeugen und
dementsprechende Einsparungen beim
Leistungspreis zu erreichen, der immerhin ein
Drittel der gesamten Stromkosten ausmacht.
Aber auch die weiteren Effekte, die seit
Einführung von ZEMS eintraten, sind
beachtlich. So konnten schon im ersten
Winter nach Einführung knapp 15 Prozent der
Kosten für die Leistungsspitze eingespart
werden. Die vereinbarte Maximalentnahme
konnte jährlich im Schnitt um 35 – 40
Megawatt gesenkt werden. Ohne ZEMS läge
diese heute damit bereits bei 270 Megawatt.
Und auch die außerplanmäßigen Spitzen
wurden zur Ausnahme. Zudem hat die
Einführung von ZEMS zu einer wesentlich
besseren Abstimmung zwischen den
Standorten geführt, so dass die Zahl der
notwendigen Abschaltungen allein dadurch
schon deutlich abgenommen hat. So werden
heute die Stillstandspläne, die je nach
Abbauphase an den verschiedenen
Tagebaustandorten aufgestellt werden, auf
Grund der gemachten Erfahrungen schon im
Voraus besser aneinander angepasst, so
dass der Verbrauch insgesamt konstanter ist
und Spitzen seltener werden.
Die Ziele, die man sich mit der Einführung
eines zentralen Energiemanagements gesetzt
hatte, wurden voll und ganz erreicht, so Dr.
Kathrin Lehmann, federführend verantwortlich
für das Energiemanagement bei der LAUBAG.
Mehr noch: "Wir haben immer darauf geachtet,
ein offenes System aufzubauen. Eines, mit
dem wir auch auf neue Entwicklungen
reagieren können", so Kathrin Lehmann. Die
Folge: Auch für die Liberalisierung des
Energiemarktes war und ist man gerüstet.
Eine wichtige Grundlage war das
Datenbankdesign, das man von vorneherein
sehr offen angelegt hat. So konnte man
beispielsweise im Bereich des
Zeitreihenmanagements auch neue Elemente
abbilden. Elemente, die heute im
Energiedaten-Management eine wichtige
Rolle spielen, wie Lastprofile oder Fahrpläne.
Aber auch auf ganz neue Möglichkeiten des
Marktes konnte man mit Hilfe von ZEMS
bereits reagieren. So ist man seit Anfang des
Jahres in der Lage, die Abschaltleistung, also
die nicht genutzten Energiemengen, zu
vermarkten, und damit die Energiekosten
weiter zu senken. Ein Vorteil, den man mit der
Weiterentwicklung des Marktes noch
effizienter nutzen kann. Schließlich hat man
mit ZEMS sämtliche Verbräuche aktuell, auf
Minutenbasis und genau aufgeteilt nach
Verbrauchsstellen im Blick und kann auf
dieser Grundlage sehr viel schneller
reagieren, als das mit herkömmlichen
Lösungen möglich wäre.
Ein weiterer Vorteil von ZEMS ist nach Ansicht
von Dr. Kathrin Lehmann die Tatsache, dass
ZEMS auch der Ursprung des EDM-Systems
AKTIF dataService ist, eines der inzwischen
etablierten Standard-Produkte auf dem noch
jungen Markt für
Energiedaten-Management-Lösungen. Damit
hat die LAUBAG jederzeit die Option, bei
Bedarf schnell weitere, bislang nicht benötigte
Funktionen zusätzlich zu nutzen. Denn auf
lange Sicht wird auch die LAUBAG nicht mehr
ausschließlich mit Summenlieferverträgen
arbeiten können. Der Bezug auf Basis von
Fahrplänen wird aller Voraussicht nach
ebenso eine Rolle spielen wie der Handel mit
freier Leistung, der nur auf der Grundlage
eines effizienten Energiedaten-Managements
funktionieren kann.