Transparenz, Sicherheit, Homogenität: ohne Regeln gibt es keinen Markt
Der Emissionshandel benötigt die richtigen Rahmenbedingungen
Stell Dir vor, es gibt einen neuen Markt und alle machen mit. Getreu diesem Motto verlassen sich derzeit viele darauf - egal ob auf Seiten des Gesetzgebers oder auf Seiten der Industrie - dass sich der Markt für den Handel mit Emissionsrechten von ganz alleine entwickeln wird. Doch ohne ausreichende organisatorische und gesetzliche Rahmenbedingungen gibt es weder Transparenz, noch Transaktionssicherheit, noch Homogenität - die Vorbedingungen dafür, dass dieser Markt überhaupt funktionieren kann.
Transparenz durch zentrale Informationsstelle und nationales Register
Eins steht fest: es wird schwierig, den Überblick darüber zu gewinnen, wie viele Emissionsrechte ab 2005 dem Markt zur Verfügung stehen. Selbst wenn der nationale Allokationsplan (NAP) fristgerecht bis zum 31. März 2004 verabschiedet wird und auch die Notifizierung durch die Europäische Kommission nur drei Monate später erfolgt ist, ist die Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikate damit noch nicht endgültig festgeschrieben. Denn wie bei jedem Verwaltungsakt in Deutschland wird es auch beim NAP für die Unternehmen die Möglichkeit geben, Widerspruch einzulegen. Obwohl ein solcher Widerspruch zunächst keine aufschiebende Wirkung hat, könnte sich bei erfolgreichen Klagen die Gesamtmenge an Emissionsrechten im Zeitablauf ändern, was wiederum erhebliche Einflüsse auf die Preisfindung am Emissionshandelsmarkt hat. Um Markttransparenz zu erreichen muss eine zentrale Informationsstelle, etwa das Community Independent Transaction Log CITL auf EU-Ebene (siehe unten) oder die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEST), welche auf nationaler Ebene für die Administration des EU-Emissionshandels verantwortlich ist, alle marktrelevanten Informationen zeitnah veröffentlichen. Hierunter fallen insbesondere, Gesetzesänderungen, Gerichtsurteile, Erhöhungen/Verringerungen der Liquidität durch Reserveänderungen und Neueintritte/Stilllegungen von Anlagen.
Ferner spielt das nationale Emissionshandelsregister für die Transparenz auf dem Emissionshandelsmarkt eine bedeutende Rolle. Gemäß der sich derzeit im europäischen Entscheidungsprozess befindlichen EU-Registerverordnung muss jeder Mitgliedsstaat sein eigenes nationales Register in Form einer elektronischen Datenbank aufbauen. Die Verordnung orientiert sich in ihrer bisherigen Form auf die Verwaltung und Organisation der in den Jahren 2005-07 ausgegebenen Emissionsrechte. Daneben trifft sie auch Vorsorge für den Übergang in die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Abkommens 2008-12. Für die Nationalstaaten besteht dabei grundsätzlich die Möglichkeit, die Infrastruktur eines anderen Registers zu nutzen. Zwischen den jeweiligen Registern muss jedoch eine klare Trennung gewährleistet sein. Die Aufsicht über die nationalen Register wird durch eine zentrale EU-Stelle übernommen – das Community Independent Transaction Log (CITL). Hier werden keine Konten geführt, das CITL ist vielmehr zuständig für die Überwachung und die Organisation des Verkehrs zwischen den einzelnen nationalen Registern. Daneben ist das CITL auch für die Freigabe aller Transaktionen verantwortlich sowie für die Veröffentlichung EU-weit gültiger Informationen, wie z.B. jährliche Umsatzstatistiken.
Ein nationales Register für Deutschland ist durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) in § 14 festgeschrieben. Danach erhält jeder verpflichtete Teilnehmer ein Konto, "in dem die Ausgabe, der Besitz, die Übertragung und die Abgabe von Berechtigungen verzeichnet werden. Abgegebene Berechtigungen werden von der zuständigen Behörde gelöscht. Jede Person erhält auf Antrag ein Konto, in dem Besitz und Übertragung von Berechtigungen verzeichnet werden." Damit kommt das TEHG der in der EU-Registerverordnung fixierten Forderung der Einrichtung von ‚Tradingkonten’ nach, die es auch nichtverpflichteten Unternehmen erlauben, am Handel teilzunehmen. Damit unterscheidet es zwischen langfristigen, an Investitionsentscheidungen orientierten Transaktionen (Zuteilungskonto) und kurzfristigen, handelsorientierten Geschäften (Tradingkonto). So wird auch eine bilanzielle und steuerliche Abgrenzung in Anlage- und Umlaufvermögen möglich. Das Register bildet außerdem einen Rechtsrahmen, in dem Rechte vom eigenen auf ein anderes Konto per Buchung übertragen werden können. Ist eine Transaktion dann vom CITL freigegeben, ist das Geschäft irreversibel. Der Zugriff auf die Konten erfolgt über das Internet.
Transaktionssicherheit als Grundlage für einen funktionierenden Markt
Offen ist derzeit, wie der zum Transfer der Rechte entgegengesetzt laufende Geldfluss organisiert werden soll. Bewegt sich der Transfer der Rechte noch in einem geschlossenen System und besteht durch das Register auch eine rechtliche Sicherheit, so ist der Geldfluss komplett außerhalb dieses Systems und unterliegt somit den Regeln des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs. Daraus ergeben sich mannigfaltige organisatorische Probleme. So muss jeder Teilnehmer am System mit jedem potenziellen Handelsteilnehmer einen bilateralen Vertrag abschließen, auch die Bonitätsprüfung erfolgt individuell. Wie man dabei mit Unternehmen umgeht, die ein sehr schlechtes Kredit-Rating haben oder was im Konkursfall mit den offenen Forderungen passiert, ist unklar. Dazu kommt, dass Geschäfte, einmal vom CITL freigegeben, nicht rückgängig gemacht werden können und Geschäfte mit Marktteilnehmern aus Randländern stark erschwert sind.
Analog zum Register muss demzufolge ein Rechtsraum geschaffen werden, der die Probleme des Zahlungsverkehrs löst. Im Börsenbereich hat sich hier die Abwicklung über Intermediäre bewährt. Eine zentrale Clearingstelle, wie sie in Deutschland beispielsweise an der Finanzbörse (EUREX) oder bei der European Energy Exchange (EEX) genutzt wird, könnte auch beim Emissionsrechtehandel zur Lösung der Probleme beitragen. Ein derartiges zentrales Clearinghouse sichert dabei das Erfüllungsrisiko über zentral gebündelte Sicherheiten und mit Hilfe von Clearingbanken ab. Dieses Konzept sollte dabei zunächst auf alle Tradingkonten angewendet werden, da hier die Heterogenität der Marktteilnmehmer am größten ist.
Das einfache System eines Clearinghouse bietet einige wesentliche Vorteile gegenüber einem offenen System. Kommt ein Marktteilnehmer etwa seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, wird er vom Handel ausgeschlossen. Sein Bestand an Rechten wird solange gesperrt, bis gezahlt wurde, ansonsten werden die Rechte verwertet. Ein aus zwischenzeitlichen Marktbewegungen resultierendes Defizit wird aus seinen Sicherheiten gedeckt, andere Marktteilnehmer sind nicht unmittelbar betroffen. Durch die Mitgliedschaft im zentralen Clearinghouse, bzw. die Abwicklung über ein finanzstarkes Clearingmitglied, wird zudem verhindert, dass finanzschwache Institutionen den Handel untergraben und dem System Schaden zufügen. Dieses System bietet damit eine hohe Sicherheit und ist marktwirtschaftlich.
Marktteilnehmer aus dem verpflichtenden Handel, die ein Zuteilungskonto unterhalten, können jederzeit selbst entscheiden, ob sie ein Trading-Konto eröffnen und sich dem Clearing-System anschließen möchten. Dies erfordert jedoch zusätzlichen finanziellen Aufwand und eine Bonitätsprüfung. Durch diese zusätzliche Kontrolle ist gewährleistet, dass marktunerfahrene Teilnehmer sich nicht durch unüberlegte Transaktionen in Schwierigkeiten bringen. Gleichzeitig lässt sich durch die zentrale Bündelung der Besicherung der Geschäfte in einem zentralen Clearinghouse die Kapitalbelastung der Marktteilnehmer so gering wie möglich halten. Die Markteintrittsbarrieren können so auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden. Die vollständige Automatisierung des zentralen Clearinghouse, die sich in den Finanz- und Energiemärkten bewährt hat, verringert auch den personellen Zusatzaufwand auf ein Minimum. Somit ist die Abwicklung über ein zentrales Clearinghouse eine wesentliche Voraussetzung für einen stabilen Handel mit Zertifikaten, in dem Kaskaden von Insolvenzen vermieden werden. Ein zentrales Clearinghouse würde somit wesentlich zur Glaubwürdigkeit des Handels beitragen.
Voraussetzung für den reibungslosen und kosteneffizienten Ablauf des Handels mithilfe dieses Clearingkonzepts ist die Anbindung an die nationalen Register. Grundsätzlich sollte man darüber nachdenken, ob das nationale Register nicht auch privatisiert und unter dem Dach eines zentralen Clearinghouse betrieben werden könnte - eine Lösung, die nicht nur abwicklungstechnisch, sondern vor allem auch aus Kostenaspekten Sinn machen würde. In Deutschland könnte man beim Aufbau einer solchen Stelle auf schon bestehende Infrastrukturen und Erfahrungen zurückgreifen, wie etwa mit der EUREX oder der EEX. Deutschland würde sich so an die Spitze der Bewegung setzen und ein System entwickeln, das anschließend auf ganz Europa übertragen werden könnte.
Homogenität: gemeinsam an einem Strang ziehen
Das TEHG trifft darüber hinaus die Unterscheidung zwischen Spot- und Derivatehandel. Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen durch das Registersystem klar definiert, beruht der Derivatehandel auf freien bilateralen Verhandlungen. Um ein einheitliches Vorgehen auf dem Emissionshandels-Derivatemarkt möglich zu machen, müssen sich die betroffenen Akteure jedoch erst einmal auf eine gemeinsame Vertragsbasis verständigen. Davon sind sie aber derzeit noch weit entfernt. So baut die Stromindustrie für die Umsetzung des Emissionsrechtehandels derzeit voll und ganz auf den Vorschlag der EFET, der European Federation of Energy Traders. Die Finanzdienstleister, also vornehmlich die Banken, setzen dagegen auf den Rahmenvertrag der ISDA, der International Swaps and Derivates Association, und einen entsprechenden Annex für Emissionsrechte. Andere Akteure schließlich bringen mit dem Vertragswerk der IETA (International Emissions Trading Association) ein drittes Konzept ins Spiel.
Aufgrund des oben beschriebenen Mangels an Transaktionssicherheit ist es an der Zeit, dass sich die verschiedenen Interessengruppen an einen Tisch setzen und ein gemeinsames Vorgehen abstimmen. Denn nur so lassen sich Forderungen, wie etwa nach einem zentralen Clearinghouse und einem homogenen Vertragswerk für den Derivatehandel, schnell genug und flächendeckend umsetzen. Angesichts dieser Anforderungen hat die 3C GmbH im Dezember 2003 die AG EM (Arbeitsgruppe Emissionshandelsmarkt) initiiert, an der wesentliche Akteure des europäischen Emissionshandelsmarktes beteiligt sind. Ohne derartige Initiativen könnte der Markt tatsächlich ohne entsprechende Rahmenbedingungen in 2005 beginnen – und plötzlich macht kaum einer mit.
Autor: Uwe Pagel, exklusiv für Energie & Management Sonderheft Emissionshandel