Was bei der Umsetzung des Unbundling zu beachten ist
Die Anforderungen mit Hilfe von Softwaresystemen pragmatisch abbilden
Ob die de minimis-Regel nun Bestand haben wird oder ob sie schon bald fällt, wie das manche Experten vorhersagen, am Thema Unbundling wird nur eine Minderheit der Versorgungsunternehmen vorbei kommen. Denn die wirtschaftlichen Verflechtungen durch Beteiligungen im Energiemarkt haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen - und nehmen weiter zu. So haben beispielsweise rund 600 der insgesamt 980 Mitgliedsunternehmen des VKU inzwischen neben der jeweiligen Kommune auch fremde Anteilseigner. Und selbst die, die das nicht haben, organisieren Energievertrieb und -beschaffung oftmals gemeinsam mit anderen Stadtwerken in gesonderten Handelsgesellschaften. Die Folge: wer sich alle Optionen für die Zukunft offen halten will, muss sich mit dem Unbundling beschäftigen. Gerade in Sachen IT gibt es da jedoch wesentliche Dinge zu beachten, so Manfred Diebitz, Direktor Marketing der Schleupen AG, Moers
Zentrale Bedingung an ein unbundling-gerechtes IT-System ist die Mandantenfähigkeit, um die aus dem Unternehmen ausgegliederten Bereiche unabhängig voneinander bedienen zu können. Dabei werden die einzelnen Geschäftsbereiche als eigene Mandanten geführt. Hier sind neben dem gesamten Bereich Rechnungswesen auch weitere Fachapplikationen betroffen. Etwa die Vertragsabrechnung und die Energielogistik bzw. das Energiedatenmanagement sowie das CRM-System. Entscheidend für die Bewertung und Auswahl eines geeigneten IT-Systems ist das gesamte Thema "Rechnungslegung". Denn mit der Rechnung stellt sich das Unternehmen nach außen – also dem Kunden gegenüber – dar. Diese Rechnung muss auch weiterhin verständlich sein und gemäß der internen Vorgaben gestaltet werden können – auch wenn der Netzbetrieb ausgegliedert ist.
Buchhalterisches/rechnerisches Unbundling
Zur Vermeidung von Diskriminierungen, Quersubventionen und Wettbewerbsverzerrungen muss innerhalb der internen Buchführung die Kontentrennung für Übertragungs-, Verteilungs-, Erzeugungs- und Versorgungstätigkeiten festgelegt sein.
Im Besonderen bedeutet das buchhalterische Unbundling für das Versorgungsunternehmen, dass die Unternehmensbereiche "Netz" und "Vertrieb" getrennt zu führen sind. Im Hauptbuch der Finanzbuchhaltung müssen diese beiden Bereiche deshalb rechnerisch getrennt werden.
Die Verträge zwischen Energievertrieb und Netz können dann beispielsweise als Rahmenverträge (nicht einzeln je Kunde) abgebildet werden. In der Vertragsabrechnung wird dazu in diesem Modell für eine Abnahmestelle ein Vertrag angelegt, der ein gemeinsames Produkt enthält und einem gemeinsamen Geschäftsbereich zugeordnet ist. Dafür werden die Preisbestandteile eines Produktes wie Netznutzung und Energie einzeln definiert und kontiert. In der Darstellung auf der Rechnung können die Preisbestandteile auf diese Weise verdichtet oder auch einzeln dargestellt werden.
Informatorisches Unbundling
Vom informatorischen Unbundling sind in erster Linie die Anwendungen für die Kundenkommunikation und -information betroffen, also beispielsweise CRM-Systeme. Diese müssen deswegen die Möglichkeit bieten, die Sichten auf die Daten in den verschiedenen Applikationen differenziert zu steuern. Dazu müssen sie in der Lage sein, Berechtigungen entsprechend definierter Nutzerrollen zu vergeben, etwa nach folgenden Gruppierungen:
• Mandant: der Nutzer darf alle Objekte in einem Mandanten (Firma, Gesellschaft) sehen und bearbeiten
• Geschäftsbereich: Der Nutzer darf nur die Objekte, die fachlich einem Geschäftsbereich zugeordnet sind, sehen und bearbeiten
• Kundengruppe: Der Nutzer darf nur die Objekte in der Kundengruppe Tarifkunden und/oder Sonderkunden sehen und bearbeiten
• Tarifschlüssel (auch bei Sonderkunden): Der Nutzer darf nur die Verträge der zugewiesenen Tarifschlüssel sehen und bearbeiten
Organisatorisches/funktionelles Unbundling
Wie bereits beschrieben, werden die Verträge zwischen Energievertrieb und Netz als Rahmenverträge und nicht einzeln je Kunde abgebildet. Dafür werden die beiden Unternehmensbereiche "Netz" und "Vertrieb" in der Finanzbuchhaltung tatsächlich scharf getrennt. In der Vertragsabrechnung werden darüber hinaus die Produkte für Netznutzung und Energie einzeln definiert. Damit besteht dann die Wahlfreiheit, ob sie auf einer Rechnung verdichtet als Einzelposition angedruckt werden. Nur so kann der aus beispielsweise dem "2-Vertragsmodell" resultierende Zusatzaufwand von zwei Rechnungen verhindert werden..
Im Hauptbuch werden nicht nur die Erlöse getrennt gebucht, sondern es wird auch je Geschäftsbereich ein Sammelkonto Debitoren bebucht. Der automatische Offene-Posten-Ausgleich kann die Forderungen je Geschäftsbereich nach Stufen ausgleichen. Auf diese Weise wird auch die Trennung der Informationen im informatorischen Unbundling vereinfacht.
Gesellschaftsrechtliches Unbundling
Die gesellschaftsrechtliche Entflechtung soll die Unabhängigkeit des Netzbetreibers in Hinsicht auf Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt gewährleisten.
Das bedeutet, dass die Unternehmensbereiche "Netz" und "Energielieferung" in getrennte Gesellschaften überführt werden. Im Softwaresystem werden diese beiden Bereiche dann als einzelne Mandanten getrennt geführt.
Um dennoch nicht auf die Synergieeffekte einer gemeinsamen IT verzichten zu müssen, können beispielsweise zentrale Dienste ("shared services") eingerichtet werden, die allen Unternehmensbereichen – also auch denen, die rechtlich getrennt sind – zur Verfügung stehen sollen. Durch Gründung einer Billing-Gesellschaft, die die Abrechnung der einzelnen "unbundelten" Unternehmensbereiche als Dienstleistung übernimmt, bleiben die Synergien erhalten, denn vorhandenes Know-how, geschultes Personal und die bestehende IT-Landschaft können dafür genutzt werden.
Szenario zur Umsetzung
Ein pragmatisches Umsetzungsmodell, wie es beispielsweise auch die Branchenlösung Schleupen.CS unterstützt, basiert beispielsweise auf der Konten- und Kostenstellentrennung in einem Mandanten und/oder dem mandantenübergreifende Buchen.
Um das gesellschaftsrechtliche Unbundling zu erfüllen, trennen das integrierte Versorgungsunternehmen die Netz- (Mandant 1 "Netz", nur Hauptbuch) und Vertriebstätigkeiten (Mandant 2 "Energielieferung", nur Hauptbuch) und gründet eine eigene Service-Gesellschaft als dritten Bereich (Mandant 3 "Abrechnungsdienstleistung", Hauptbuch und Nebenbuch Vertragsabrechnung). Diese Service-Gesellschaft kann dann verschiedene Dienstleistungen für die Netz- und die Vertriebsgesellschaft übernehmen. Beispielsweise auch die Vorgangsbearbeitung mit IT-Unterstützung.
Der Mandant 3 (Abrechnungsdienstleistung) stellt dem Kunden All-Inclusive-Rechnungen über die Gesamtleistung (Netz und Energie) aus. Der fremde Lieferant bekommt vom Mandanten 3 nur Rechnungen über Netznutzungsentgelte. Im Mandanten 3 ist je Geschäftsbereich und gegebenenfalls je Lokation hinterlegt, zu welchem Zielmandanten (Hauptbuch) dieser Geschäftsbereich gehört. Im Rahmen der Faktura werden die Forderungen im Nebenbuch auf das Debitorenkonto der Kunden gebucht. Im Hauptbuch des Mandanten 3 werden auf den Erlöskonten, Steuerkonten und Sammelkonten Debitoren entsprechende Buchungen erzeugt. Aufgrund der Zielmandantendefinition werden im Mandanten 3 Ausbuchungsbelege, für die Mandanten 1 (Netz) und 2 (Energielieferung) Umbuchungsbelege erzeugt und gebucht. Im Rahmen des Offene-Posten-Ausgleichs durch Zahlungseingang werden wiederum Ausbuchungs- und Umbuchungsbelege für die betroffenen Mandanten erzeugt und gebucht (mandantenübergreifendes Buchen).
In CRM_System wird den Mitarbeitern der Netz- (Mandant 1) und der Vertriebsgesellschaft (Mandant 2) ein Informationszugang in die angeschlossenen Software-Systeme gewährt, die entsprechend der Marktrolle mit bestimmten Berechtigungen versehen sind. Einsicht in Informationen über Kunden und Stati der Verträge und Bearbeitung von Objekten (Kunden, Verträge, Lieferstellen...) sind entsprechend der eingerichteten Berechtigungen vorgesehen.
Autoren: Manfred Diebitz (Direktor Marketing der Schleupen AG) und Uwe Pagel, exklusiv für ZfK 05/04