"Aber was soll das denn mit meiner Ausbildung zu tun haben?" Mit Zweifel reagierten die dreizehn SWU-Azubis, als ihnen eröffnet wurde, dass statt Büro und Büffeln eine Woche lang Hilfe und Handeln auf dem Programm stehen sollten. Nach Ende des Pilotprojekts sind sich alle einig: Die "soziale Woche" war eine Bereicherung für jeden Teilnehmer. Vom 15. bis 19. Mai 2006 arbeitete das komplette zweite Lehrjahr in Einrichtungen wie Altersheimen, Behindertenwerkstätten und -heimen oder der Bahnhofsmission. Das Ziel: Die Jugendlichen für ihre Umwelt zu sensibilisieren und den Kontakt zu "Andersartigen" herzustellen. "Die SWU ist eine heile Welt", so Personalleiter Michael Kuhn. "In unserer Gesellschaft gibt es jedoch viele Menschen, die sozial ausgegrenzt werden oder benachteiligt sind. Unsere Azubis haben in dieser Woche erkannt, dass auch diese Menschen Bedürfnisse haben und eine Beziehung mit ihnen Gewinn bringend sein kann, auch wenn sie vielleicht nicht immer einfach ist".
Einsatzort: Behindertenwerkstatt
Die beiden Freunde Benjamin Dubb und Alexander Nikolaus tauschten für eine Woche ihren gewohnten Arbeitsplatz mit der Arbeit in den Donau-Iller Werkstätten. Anfangs nicht ohne Ängste: Wie sollten die Azubis mit den behinderten Menschen umgehen? Was passiert, wenn ihnen ein Fehler unterläuft oder sich das Projekt als gähnend langweilig herausstellt? Doch diese Befürchtungen waren unbegründet. Die psychisch erkrankten Menschen empfingen die Jungs zwar zunächst etwas reserviert, schlossen sie dann aber schnell ins Herz. So erzählten die Mitarbeiter der Behindertenwerkstatt den beiden teilweise sogar von ihren Krankheiten. "Ich war überrascht, wie offen mir ein Mann von seiner Behinderung und den damit verbundenen Problemen erzählt hat", berichtet Benjamin Dubb. "Und obwohl wir beide so unterschiedlich sind, habe ich mich immer besser mit ihm verstanden".
Überrascht waren die Azubis auch von der professionellen Arbeitsweise der Werkstatt. Es werden beispielsweise enorme Stückzahlen an Steckern und Kabelbäumen produziert. Auch die Qualitätsansprüche an die hergestellten Produkte sind sehr hoch. Denn die Einrichtung muss sich im offenen Markt behaupten können. "Die Auftraggeber sponsern die Menschen dort nicht, sondern wollen Qualität", hat Alexander Nikolaus festgestellt.
Dass nicht alles so ist, wie es scheint, erfuhr auch Nico Klotz. Er verbrachte die Woche bei den Heggbacher Einrichtungen im betreuten Wohnen für geistig und körperlich Behinderte. Dort werden die Bewohner in alltäglichen Dingen wie beispielsweise beim Einkaufen unterstützt. Daneben stehen aber Ausflüge und Krankengymnastikbesuche auf dem Programm. So werden die Behinderten in das normale Leben integriert und haben die Möglichkeit, so selbständig wie möglich ihren Alltag zu bewältigen. Auch Nico Klotz war angetan von der Herzlichkeit, die ihm bei den Heggbacher Einrichtungen entgegengebracht wurde. Dass Behinderte sehr emotional sind, erfuhr er nicht nur bei der Begrüßung. "Ein Mädchen in meiner Einrichtung hatte Schwierigkeiten beim Schließen der Jacke. Da hat sie sich wahnsinnig aufgeregt. Ich habe dann beruhigend auf sie eingeredet, ihr geholfen und schon war alles wieder gut". Über solche Erfahrungen freut sich Wolfram Keppler, der die Organisation der "sozialen Woche" mit seiner Agentur Mehrwert betreut hat, ganz besonders: "Wenn man den Ball flach hält und ruhig reagiert, sind viele Situationen in der Ausbildung besser zu meistern. Diese Erkenntnis ist eine gute Hilfe im Umgang mit schwierigen Kollegen oder in einer Diskussion".
"Soziale Woche" soll zur Regel werden
Das Thema "sozial" war bislang schon kein Fremdwort bei der Ausbildung der SWU. Dabei standen in der Vergangenheit jedoch Workshops und Seminarveranstaltungen im Vordergrund. Mit dem aktiven Besuch einer sozialen Einrichtung begab sich die SWU jetzt auf Neuland. Ein Sprung ins kalte Wasser, der belohnt wurde. Denn aus Skepsis bei den Auszubildenden wurde echte Begeisterung. "Selbst die Jungs, die eher distanziert sind, sprechen auf einmal von Gefühlen und zeigen Emotionen," freut sich Personalchef Michael Kuhn. Die "soziale Woche" soll ab jetzt zum festen Bestandteil im Lehrplan der Azubis werden. Die Vorteile für die Teilnehmer und ihren Arbeitgeber liegen auf der Hand. Für die Jugendlichen ist die "soziale Woche" eine Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern, und verbessert ihren Umgang mit dem alltäglichen Umfeld. Die SWU wiederum profitiert von Mitarbeitern, die nach dieser Woche weltoffener und selbstständiger sind. Es sind sich alle sicher: Diese Woche war ein voller Erfolg.
Autorin: Monika Pfau